Rz. 156
Unterliegen die Wirkungen der Adoption einem Recht, welches nicht Erbstatut ist, fragt sich, ob sich das Erlöschen oder die Begründung eines gesetzlichen Erb- oder Pflichtteilsrechts aus dem Adoptions- oder dem Erbstatut ergeben.
Rz. 157
Beispiel
Ein in Deutschland lebender Iraner hat das Kind seiner deutschen Ehefrau adoptiert. Die Adoption unterliegt hier gem. Art. 22 Abs. 1 i.V.m. Art. 14 Abs. 1 Nr. 2 EGBGB dem deutschen Recht und ist danach zulässig. Das für die Erbfolge geltende (Art. 8 Abs. 3 des Deutsch-Persischen Niederlassungsabkommens) iranische Recht dagegen kennt die Adoption nicht und sieht dementsprechend für adoptierte Kinder kein gesetzliches Erb- und Pflichtteilsrecht vor.
Rz. 158
Unterschiedliche Rechte können sich z.B. auch ergeben, wenn es sich um eine im Ausland ausgesprochene Vertragsadoption handelt oder wenn der Annehmende nach Adoption seinen Lebensmittelpunkt ins Ausland verlegt bzw. sein ausländisches Heimatrecht gewählt hat.
Rz. 159
Die Lösung dieser Frage (Qualifikation der erbrechtlichen Wirkungen einer Adoption) ist umstritten.
Nach einer im Wesentlichen im Schrifttum vertretenen Ansicht (adoptionsrechtliche Qualifikation) handelt es sich um eine Frage der Adoptionswirkungen: Das Entstehen eines bestimmten Verwandtschaftsverhältnisses im Verhältnis zu dem Annehmenden und seinen Verwandten sowie das Erlöschen des Verwandtschaftsverhältnisses zu den leiblichen Verwandten ergäben sich als Adoptionswirkung unmittelbar aus dem Adoptionsstatut. Das Erbstatut entscheide dann nur noch über Art und Umfang der Erbberechtigung, wobei das sich aus dem Adoptionsstatut ergebende Verwandtschaftsverhältnis zugrunde zu legen sei.
Nach anderer Ansicht (erbrechtliche Qualifikation) entscheidet das Erbstatut darüber, ob es aufgrund einer Adoption überhaupt zu einer erbrechtlichen Beteiligung kommen könne. Nach dem Adoptionsstatut bzw. dem auf die anerkannte Adoption angewandten Recht sei dann allein die Vorfrage zu entscheiden, ob die Adoption wirksam zustande gekommen ist und ob es zwischen dem Erblasser und dem Adoptivkind zu einer so starken rechtlichen verwandtschaftlichen Beziehung kommt, wie sie das für die Erbfolge maßgebende Recht für eine Beteiligung des Adoptierten an der gesetzlichen Erbfolge voraussetzt (Substitution). Im Ergebnis führt das dazu, dass ein Erb- und Pflichtteilsrecht des Angenommenen nur dann entsteht, wenn sowohl das Erbstatut als auch das Adoptionsstatut die Adoption kennen und ein gesetzliches Pflichtteilsrecht des Angenommenen bejahen. Im praktischen Ergebnis müssen so beide Rechte das Pflichtteilsrecht aufgrund Adoption anerkennen (kumulative Anknüpfung). Das bedeutet für den Angenommenen eine Benachteiligung, da u.U. trotz starker Adoption kein Erbrecht entsteht.
M.E. ist der adoptionsrechtlichen Qualifikation zu folgen. Das sich aus dem Adoptionsstatut ergebende Verwandtschaftsverhältnis ist auch dem Erbstatut zugrunde zu legen. Das Erbstatut entscheidet dann also nur noch über die Frage, welche Erbrechte einer Person zustehen, die mit dem Erblasser in einem entsprechenden Verhältnis verwandt war. Gilt also z.B. iranisches Erbrecht und hat der Erblasser das Kind nach deutschem Recht adoptiert, ist das Kind bei Anwendung des iranischen Erbrechts als Kind des Erblassers zu behandeln, und zwar unabhängig davon, ob nach iranischem Recht die Adoption eine Abstammung begründen kann oder nicht. Nur so kann vermieden werden, dass das Kind im deutschen Nachlassverfahren trotz wirksamer Adoption wie ein Fremder behandelt wird und erbrechtlich rechtlos gestellt wird.
Zu dieser Frage ist in Deutschland wie auch unter der EuErbVO noch keine verbindliche gerichtliche Stellungnahme ergangen, so dass sie m.E. weiterhin als offen gelten muss.
Rz. 160
Praxishinweis
Differenzen zwischen beiden Auffassungen ergeben sich insbesondere dann, wenn das Erbstatut keine Adoption kennt bzw. dieser keinerlei erbrechtliche Wirkungen zuerkennt. Ist deutsches Recht Erbstatut, kann auch bei erbrechtlicher Qualifikation die Gewährung eines Erbrechts nach dem für die Adoptionswirkungen geltenden Recht zumindest als "Anzeichen" dafür gewertet werden, dass die Adoption ausländischen Rechts für erbrechtliche Zwecke einer Adoption deutschen Rechts gleichsteht. Um diese Probleme zu vermeiden, sollte nach Möglichkeit ein Umwandlungsausspruch gem. § 3 AdWirkG angestrebt werden (siehe Rdn 155). Jedenfalls aber sollte der deutsche Erblasser sicherheitshalber ein Testament mit einer Gleichstellungserklärung i.S.v. Art. 22 Abs. 3 S. 2 EGBGB errichten.