Rz. 197
Beispiel
Der deutsche Erblasser hatte mit seiner damaligen französischen Braut vor der Eheschließung im Jahr 1993 – noch als Student – bei einem Pariser Notar einen Ehevertrag beurkunden lassen, mit dem die Brautleute die Errungenschaftsgemeinschaft des französischen Rechts vereinbarten und dem überlebenden Ehegatten das Gesamtgut zuwachsen sollte (clause d’attribution intégrale). Als der Ehemann nach einem Leben als erfolgreicher Rechtsanwalt ein großes Vermögen hinterlässt, erklärt die Witwe den gemeinsamen Kindern, dies gehöre nun fast alles ihr. Zur Teilung durch die Erbengemeinschaft stehe allenfalls das Biedermeier-Esszimmer an, da dies alter Besitz der Familie des Ehemannes sei.
Rz. 198
Die Abgrenzung zwischen Erb- und Güterstatut ist bisweilen schwierig, da beide Regelungskomplexe im Erbfall konkurrierend das Vermögen des Erblassers verteilen und dem überlebenden Ehegatten eine Vermögensbeteiligung gewähren. Ist dasselbe Recht Güter- und Erbstatut, kann die Abgrenzung dahingestellt bleiben. Bisweilen kommt es jedoch zu Divergenzen:
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Das Erbstatut wird an den gewöhnlichen Aufenthalt angeknüpft, für die güterrechtlichen Wirkungen der Ehe aber gilt bei Eheschließung vor dem 29.1.2019 vorrangig ein gemeinsames Heimatrecht der Eheleute, es entscheidet also die Staatsangehörigkeit. |
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Während im Güterrecht gem. Art. 26 EuGüVO bzw. Art. 15 EGBGB a.F. die Umstände bei Eheschließung maßgeblich sind, entscheiden im Erbrecht die Umstände bei Tod des Ehegatten. |
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Die Rechtswahlmöglichkeiten sind im Güterrecht weitergehend. So kann für das Erbstatut jeder nur sein eigenes Heimatrecht wählen, im Güterrecht kann die Geltung des Heimatrechts jedes der Ehegatten vereinbart werden, Art. 22 EuGüVO bzw. Art. 15 Abs. 2 EGBGB a.F. |
Rz. 199
Im Beispiel ist nach dem Ehemann aufgrund seines letzten gewöhnlichen Aufenthalts in Deutschland deutsches Recht Erbstatut. Je nachdem, ob die Eheschließung vor oder nach dem 9.4.1983 stattgefunden hat, wären auf die güterrechtlichen Verhältnisse aber aufgrund der Bezugnahme auf die güterrechtlichen Institute des französischen Rechts gem. Art. 220 Abs. 3 S. 1 Nr. 2 EGBGB wegen einer "Unterstellung" unter das französische Recht bzw. gem. Art. 15 Abs. 2 Nr. 1 bzw. Nr. 2 EGBGB a.F. aufgrund konkludenter Rechtswahl französisches Recht anwendbar.
Rz. 200
Die Erbrechtsverordnung schließt gem. Art. 1 Abs. 2 lit. d Fragen des ehelichen Güterrechts ausdrücklich von ihrem Anwendungsbereich aus. Art. 1 Abs. 2 lit. d EuGüVO schließt wiederum die Rechtsnachfolge nach dem Tod eines Ehegatten ausdrücklich vom Anwendungsbereich der EuGüVO aus. Entscheidend ist damit, ob der für den Fall des Todes eines der Ehegatten vereinbarte Übergang der Gütergemeinschaft auf den Überlebenden als güterrechtlicher oder als erbrechtlicher Erwerb zu qualifizieren ist.
Rz. 201
Zur Abgrenzung von Erb- und Güterstatut sollte unter der Geltung von Art. 25 EGBGB a.F. und Art. 15 EGBGB a.F. nach einer in Deutschland praktizierten Auffassung folgende Faustformel gelten:
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Erbrechtlich sei eine Vermögenszuweisung zu qualifizieren, wenn sie dem überlebenden Ehegatten eine Teilhabe allein aufgrund seiner Nähebeziehung zum Erblasser gewährt; |
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güterrechtlich, wenn sie einen Ausgleich für während der Ehe erbrachte Leistungen darstellt und darauf beruht, dass bereits während der Ehe die Vermögen der Eheleute verschmolzen sind und sie "aus einem Topfe gewirtschaftet haben". |
Das ist vage und lässt sich kaum konkretisieren, denn auch das Erbrecht berücksichtigt, dass die Eheleute eine Vermögensgemeinschaft gebildet haben und voneinander vermögensmäßig abhängig sind.
Rz. 202
Von schwacher Bedeutung ist auch, ob die einschlägige Norm im Gesetzbuch im Erb- oder Güterrecht eingeordnet ist oder ob sich die Vereinbarung in einem Erb- oder Gütervertrag befindet: Der enge sachliche Zusammenhang führt dazu, dass diese Fragen vom nationalen Gesetzgeber auf materiell-rechtlicher Ebene ohne Rücksicht auf die kollisionsrechtliche Systematik behandelt werden.
Rz. 203
Klarer ist hier die Definition des EuGH in der Rechtssache Mahnkopf. Geht es um die Verteilung von Nachlass und findet der Erwerb auf erbrechtlichem Wege statt (wie also im Rahmen von § 1371 Abs. 1 BGB das güterrechtliche Viertel), dann liegt eine erbrechtliche Regelung vor und diese ist nur dann berufen, wenn sie Teil des Erbstatuts ist. Geht es dagegen darum, aufgrund der Teilung der ehelichen Gütergemeinschaft bzw. aufgrund der Zahlung güterrechtlich begründeter Ausgleichsansprüche wie im Fall der Scheidung oder in anderen Fällen der Beendigung des Güterstands erst die Aktivmasse des Nachlasses herzustellen, dann liegt eine güterrechtliche Frage vor und es ist das nach Art. 15 EGBGB a.F. bzw. nach den Regeln der EuGüVO bestimmte Güterstatut anzuwenden.
Rz. 204
Weitere Regel ist, dass im Verfahren der Nachlassabwicklung die güterrechtliche Auseinandersetzung Vorrang vor der Nachlassverteilung hat. Nur das, was nach Auseinandersetzung des Güterstand...