Rz. 206
Im französischen Recht gilt die Vereinbarung derart abweichender Quoten für die Zwecke des Pflichtteilsrechts nur in bestimmten Konstellationen als unentgeltlich. Derartige Vereinbarungen sind daher im französischen Erbrecht in allen anderen Konstellationen entgeltliche Verfügungen und damit "pflichtteilsfest". Ähnliches ergibt sich für die Vereinbarung einer joint tenancy unter im Güterstand der Errungenschaft lebenden Ehegatten nach US-Recht, die ebenfalls dazu führt, dass dem überlebenden Ehegatten das gesamte Gesamtgut zuwächst, oder bei der Gütergemeinschaft auf den Todesfall nach dänischem Recht, bei der nur das Vermögen des zuerst Versterbenden in die Gütergemeinschaft fällt, das Vermögen des Überlebenden aber Sondergut bleibt.
Rz. 207
Im Rahmen der Erbrechtsverordnung ist – wie schon zuvor im Rahmen von Art. 25 EGBGB a.F. – die Frage, gegen welche Zuwendungen unter Eheleuten die Pflichtteile der Kinder des Erblassers geschützt werden und ob die Erbmasse durch güterrechtliche Vereinbarungen zu Lasten der Pflichtteilsberechtigten vermindert werden kann, erbrechtlich zu qualifizieren. Die erbrechtlichen Regeln über die Mindestbeteiligung der Angehörigen am Nachlass dürfen nicht ausgeschaltet werden können, indem güterrechtliche Vereinbarungen dem Recht eines anderen Staates unterstellt werden, der diese Vereinbarungen als "entgeltliche Verfügungen" behandelt. Für die Beteiligten ist es funktionell gleichwertig, ob sie sich durch "Berliner Testament" bzw. Erbvertrag gegenseitig nach deutschem Recht zu Alleinerben einsetzen oder der gleiche wirtschaftliche Erfolg durch eine ausschließlich für den Todesfall gedachte güterrechtliche Teilungsregelung herbeigeführt wird.
Rz. 208
Es bliebe mithin im Beispiel bei dem güterrechtlichen Erwerb des Vermögens durch die Ehefrau nach französischem Güterstatut. Allerdings ist auf der Ebene des nach den Regeln der EuErbVO berufenen materiellen deutschen Erbrechts zu prüfen, ob die Zuwendung eines über die Hälfte hinausgehenden Anteils am Gesamtgut an den überlebenden Ehegatten nach den Maßstäben des deutschen Erbrechts als unentgeltliche Zuwendung oder aber als unentgeltliche Zuwendung auf den Todesfall gilt. Nach Ansicht des BGH ist eine güterrechtliche Vereinbarung als unentgeltliche Zuwendung zu behandeln, "wenn die Absichten der Eheleute nicht auf eine Ordnung der beiderseitigen Vermögen zwecks Verwirklichung der Ehe gerichtet waren". Der BGH legt also einen subjektiv geprägten Maßstab zugrunde. Eine derartige Annahme kommt bei der sog. Güterstandsschaukel in Betracht, wenn für die Auseinandersetzung dem zunächst weniger begüterten Teil eine höhere Quote eingeräumt wird, als § 1476 BGB vorsieht, oder wenn ein Ehevertrag nur deshalb geschlossen wird, um pflichtteilsberechtigte Angehörige zu benachteiligen, insbesondere wenn er kurz vor dem Tod des begüterteren Ehegatten erfolgt etc. Ergänzungsansprüche hingegen sind ausgeschlossen, soweit die Vereinbarung der abweichenden Quote darauf beruht, dass der Begünstigte einen besonderen Beitrag zum Gesamtgut geleistet hat. Sollten mithin beide Eheleute zum Zeitpunkt der Eheschließung gleichermaßen bemittelt und pflichtteilsberechtigte Abkömmlinge nicht vorhanden gewesen sein, kämen daher im Beispiel Pflichtteilsergänzungsansprüche gem. § 2325 BGB gegen die Mutter wohl nicht in Frage. Bedenkt man freilich, dass die Vereinbarung ungleicher Teilungsquoten bis zur vollständigen Zuweisung des Gesamtguts an den überlebenden Ehegatten die von Gesetzes wegen vorgesehene Halbteilung ersetzt und dass durch die Vereinbarung nicht der andere Ehegatte, sondern ausschließlich dessen Abkömmlinge benachteiligt werden, so dürfte in dieser Klausel wohl ohne Zweifel eine unentgeltliche Verfügung von Todes wegen liegen, die der Pflichtteilsergänzung gem. § 2325 Abs. 3 BGB unterliegt.
Rz. 209
Andererseits kann die güterrechtliche Vereinbarung auch die Wirkungen eines Pflichtteilsverzichts erfüllen. So ist im französischen Recht ein Pflichtteilsverzicht nur eingeschränkt möglich. Hinterlässt der Erblassers Abkömmlinge, so hat der überlebende Ehegatte ohnehin keine Pflichtteile, sondern wird ausschließlich durch Teilung der ehelichen Errungenschaft abgesichert. Mit Vereinbarung der Gütertrennung gibt er diese Rechte auf, so dass er im Erbfall nur noch Unterhaltsansprüche und Wohnrechte geltend machen könnte.