Rz. 210
Nach in Deutschland früher wohl einhelliger Ansicht kam § 1371 Abs. 1 BGB nur bei Geltung deutschen Güterrechts zum Zuge, da diese Vorschrift davon ausgeht, dass der Erblasser im gesetzlichen Güterstand der Zugewinngemeinschaft deutschen Rechts gelebt hat.
Rz. 211
Umstritten war aber, inwieweit das güterrechtliche Viertel auch dann zu gewähren ist, wenn ausländisches Recht Erbstatut ist und der Erblasser in Zugewinngemeinschaft deutschen Rechts gelebt hat. Es überwog in Schrifttum und Rechtsprechung die sog. güterrechtliche Qualifikation, wonach die Erhöhung allein von der Geltung deutschen Güterrechts abhängt. Das galt schon so unter Art. 25 Abs. 1 EGBGB a.F. und sollte auch nach den Regelungen der EuErbVO so weitergelten. Gestützt wurde dies auf der Überlegung, dass § 1371 Abs. 1 BGB einen güterrechtlichen Ausgleich ersetzen solle und damit funktionell güterrechtliche Funktionen erfülle.
Rz. 212
Im Ergebnis führte das dazu, dass auch dann, wenn die gesetzlichen Erbquoten nach einem ausländischen Recht zu bestimmen waren, mithilfe von § 1371 Abs. 1 BGB die sich aus dem ausländischen Recht für die Ehefrau und die Verwandten ergebenden Quoten nach Maßgabe des deutschen Güterstatuts modifiziert wurden, so dass sich im Ergebnis deutsches Recht bei der Bestimmung der Erbquoten durchsetzte. Wenn das Erbstatut ausnahmsweise bereits auf erbrechtlichem Wege einen Ersatz für einen fehlenden güterrechtlichen Ausgleich verwirklicht, sollte eine doppelte Begünstigung im Wege der Angleichung z.B. dadurch vermieden werden, dass die Erhöhung gem. § 1371 Abs. 1 BGB ausschied oder begrenzt wurde. Im Einzelnen divergierten jedoch die Vorschläge, so dass komplizierte Angleichungsfragen auftauchten, die zu großen Rechtsunsicherheiten bei der Bemessung der gesetzlichen Erbquoten bei Geltung ausländischen Erbrechts führten.
Rz. 213
Nach der erbrechtlichen Qualifikation bzw. "Doppelqualifikation" dagegen ist § 1371 Abs. 1 BGB nur anwendbar, wenn deutsches Recht zugleich Güter- und Erbstatut ist. Vorteil ist, dass sie das ausländische Erbstatut weithin unberührt lässt. Sie widerspricht aber dem Zweck des § 1371 BGB, wonach der rechnerische Zugewinnausgleich im Erbfall gerade unterbleiben soll.
Rz. 214
In der Rechtssache Mahnkopf, in der es nicht um die Berechnung der Erbquoten ging (da nämlich auf die Erbfolge und die güterrechtliche Auseinandersetzung einheitlich deutsches Erbrecht anwendbar war), wohl aber um die Frage, ob das güterrechtliche Viertel trotz seiner güterrechtlichen Wurzeln entgegen Art. 1 Abs. 2 lit. d EuErbVO in das Europäische Nachlasszertifikat aufgenommen werden darf, hatte der EuGH entschieden, das güterrechtliche Viertel sei ein "Erbrecht", da es die Beteiligung am Nachlass bezeichne. Die in Deutschland wohl überwiegende Auffassung geht daher nun davon aus, dass der EuGH sich für die erbrechtliche Qualifikation von § 1371 Abs. 1 BGB entschieden habe, so dass der überlebende Ehegatte nur dann das güterrechtliche Viertel erhalte, wenn deutsches Recht Erbstatut ist. Hieraus ergibt sich, dass § 1371 Abs. 1 BGB immer, aber auch nur dann anwendbar ist, wenn auf Basis der EuErbVO deutsches Recht Erbstatut ist. Ist dagegen ausländisches Recht Erbstatut, kann auch dann, wenn die Eheleute in Zugewinngemeinschaft deutschen Rechts gelebt haben, der Zugewinnausgleich im Erbfall nicht auf erbrechtliche Weise durchgeführt werden.
Rz. 215
Dennoch verbleiben zwei Fragen:
1. |
Wie ist mit dem Zugewinnausgleich zu verfahren, wenn die Eheleute in Zugewinngemeinschaft deutschen Rechts lebten, die güterrechtliche Erhöhung aufgrund Geltung ausländischen Erbstatuts aber nicht durchgeführt werden kann? Hier wird heute wohl weit überwiegend die Auffassung vertreten, dass in diesem Fall aufgrund Ausschlusses der erbrechtlichen Lösung der Zugewinn gem. § 1372 ff. BGB auf güterrechtlichem Weg auszugleichen ist, und zwar ohne dass der überlebende Ehegatte die Erbschaft ausschlagen muss. |
2. |
Ist bei Geltung deutschen Erbstatuts das güterrechtliche Viertel nur dann zu gewähren, wenn die Eheleute in Zugewinngemeinschaft deutschen Rechts lebten, oder kommt die erhöhte Quote möglicherweise auch dann zum Zuge, wenn ein ausländischer Güterstand galt, der dem deutschen Güterstand der Zugewinngemeinschaft im Wesentlichen vergleichbar ist (Frage der sog. Substitution)? Hier gibt es im Wesentlichen zwei Auffassungen: Nach Ansicht einiger Autoren darf dem ausländischen Güterrecht die erbrechtliche Lösung nicht "übergestülpt" werden. Die entstehenden Fragen seien – wie auf Basis der bislang praktizierten güterrechtlichen Qualifikation – einzelfallbezogen und flexibel durch "Anpassung" zu lösen. Die Gegenauffassung dagegen verweist darauf, dass nach den allgemeinen Regeln des IPR die Lösung vorrangig im Wege einer Substitution zu suchen sei. Es müsse also ermittelt werden, ob der ausländische Güterstand der deutschen Zugewinngemeinschaft so weit vergleichbar sei, dass eine entsprechende Anwendung von § 1371 Abs. 1 BGB in ... |