Rz. 299
Beispielsweise könnte eines der beteiligten materiellen Rechte hier reagieren. So kann bei Ermittlung der Bedürftigkeit für die Bemessung der family allowance nach dem Recht eines der US-Staaten oder bei der für die Beurteilung eines Anspruchs auf family provision nach englischem Recht erforderlichen Feststellung, ob der Erblasser den Angehörigen testamentarisch "angemessen" bedacht hat, auch eine Zuwendung aus dem anderen Nachlassteil berücksichtigt werden.
Rz. 300
Für die Berechnung des Pflichtteilsanspruchs nach deutschem Recht wird die Anrechenbarkeit von Zuwendungen aus einem ausländischem Erbrecht unterliegenden Spaltnachlass bejaht. Der Angehörige sei nicht durch Verfügung von Todes wegen von der Erbfolge ausgeschlossen i.S.v. § 2303 Abs. 1 S. 1 BGB, soweit er aus anderen Nachlassteilen mehr als seinen Pflichtteil erhalte. Basis für diese Kürzung ist der Gesamtpflichtteil, also die Summe der Pflichtteile, die sich für den Kläger aus sämtlichen Nachlassteilen ergäben. Es wäre also zu berechnen, was der Betreffende bekäme, wenn er von sämtlichen Nachlassteilen testamentarisch ausgeschlossen wäre. Die Berechnung erfolgt dabei für jeden Spaltnachlass nach dem hierfür geltenden Erbstatut (unter Berücksichtigung lebzeitiger Zuwendungen etc.). Auf diesen Gesamtpflichtteil muss sich der Kläger alles anrechnen lassen, was er testamentarisch zugewandt erhielt. Der verbleibende Restbetrag bildet dann die Obergrenze für den Pflichtteilsanspruch nach deutschem Recht. Der Pflichtteilsanspruch wird also um die Beträge gekürzt, die der Betreffende aus anderen Nachlassteilen jeweils über den ihm dort zustehenden Pflichtteil hinaus erhalten hat.
Rz. 301
Klagt nun der Sohn im Beispiel auch in Deutschland gegen die Ehefrau des Erblassers den ihm nach deutschem Erbrecht zustehenden Pflichtteilsanspruch i.H.v. 150.000 EUR ein, wäre der Gesamtpflichtteil wie folgt zu berechnen: Der Wert seines Pflichtteils an den Restaurants nach französischem Recht beträgt 400.000 EUR, am texanischen Nachlass entstünde kein Kindespflichtteil und aus dem deutschen Nachlass stünden ihm 150.000 EUR zu. Der Gesamtpflichtteil betrüge also 400.000 + 150.000 EUR = 550.000 EUR. Dieser Betrag ist durch Zuwendung der Ranch im Wert von 1,2 Mio. EUR abgeglichen. Ein Pflichtteilsanspruch des Sohnes nach deutschem Recht scheidet daher aus.
Rz. 302
Da es sich hierbei um eine Fortbildung des materiellen Rechts und nicht des IPR handelt, hat sich durch das zwischenzeitliche Inkrafttreten der EuErbVO keine Änderung ergeben.
Rz. 303
In den USA würde das Vorgehen ebenfalls als widersprüchlich angesehen und nicht akzeptiert. Nach der sog. doctrine of election darf derjenige, der zu seinem eigenen Nutzen am domicile des Erblassers die Nichtigkeit einer testamentarischen Verfügung geltend macht, sich nicht bezüglich anderer Nachlassteile auf die Wirksamkeit des Testaments berufen. Hat er sein Recht bzgl. ausländischer Immobilien ausgeübt, bleibt ihm zwar die election am domicile des Erblassers erhalten, es tritt allerdings eine Anrechnung gegen die ihm nach dem am domicile des Erblassers geltenden Recht zustehenden Rechte ein. Die Nachlassspaltung wird so teilweise überwunden.
Im Beispiel müsste sich die Ehefrau also dann, wenn sie in Texas gegen den Sohn klagt, den Wert des Wohnhauses in Bremen auf ihren nach texanischem Recht bestehenden Pflichtteil anrechnen lassen.
Rz. 304
In der französischen Rechtsprechung dagegen wurde die Nachlassspaltung auch in diesen als question anglaise diskutierten Fallkonstellationen konsequent durchgehalten.