Rz. 324
Die Zuständigkeit der Gerichte nach der EuErbVO umfasst insbesondere folgende Klagearten:
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Feststellung des Erbrechts. Dies gilt auch in den Fällen, in denen der Kläger aufgrund eines ihm zustehenden Noterbrechts entgegen dem Testament bereits Erbe geworden ist, diese Rechtsstellung also nicht erst durch Urteil herbeigeführt werden muss. Auch kann der testamentarische Erbe gegen die Noterben auf Feststellung klagen, dass sie keine Miterben geworden sind bzw. kein Recht zur Geltendmachung von Noterbrechten besitzen. Allerdings soll die Zuständigkeit in Erbstreitigkeiten die Feststellung der fortgesetzten Gütergemeinschaft nicht umfassen. |
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Anfechtung eines Testaments. |
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Gestaltungsklage aufgrund Erbunwürdigkeit. |
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Leistungsklage gegen die Erben auf Erfüllung von Pflichtteilsansprüchen, ebenso die Erfüllungsklage des Vermächtnisnehmers oder wegen anderer Ansprüche aus Testament. |
Rz. 325
Umstritten war, ob deutsche Gerichte auch für die Entscheidung über eine Herabsetzungsklage zur Herstellung der Noterbrechte zuständig sind. Es handelt sich in den meisten Rechten um eine Gestaltungsklage, welche die testamentarischen Verfügungen ändert. Zuständig sind – wie für Klagen auf die Zahlung von Pflichtteilsansprüchen deutschen Rechts – nicht die Gerichte der Freiwilligen Gerichtsbarkeit, sondern die Prozessgerichte. Man könnte einwenden, dass im deutschen Zivilprozessrecht der Grundsatz des numerus clausus der Gestaltungsklagen herrsche. Da das deutsche Recht eine entsprechende Klage nicht kenne, sei diese unzulässig. Dagegen wurde schon damals in der Lehre überwiegend angenommen, die Verweisung des deutschen Kollisionsrechts auf ausländisches Erbrecht, welches eine derartige Rechtsgestaltung durch den Richter vorsehe, bringe es mit sich, dass der deutsche Richter entsprechende Urteile fällen müsse.
Rz. 326
Die EuErbVO vermeidet derartige Konstellationen jetzt durch den Gleichlauf von forum und lex. Da internationale Zuständigkeit und anwendbares Recht gleichermaßen an den gewöhnlichen Aufenthalt des Erblassers anknüpfen, kommt es grundsätzlich zur Anwendung der lex fori. Hat der Erblasser die Erbfolge seinem Heimatrecht unterstellt oder seinen gewöhnlichen Aufenthalt in einem Drittstaat gehabt (und verweist dieses Recht nicht auf das deutsche Recht zurück), kann es aber dennoch zur Geltung ausländischen Erbrechts kommen. Hat der Erblasser das Recht eines anderen Mitgliedstaates gewählt, kommt noch die Verweisung an das Gericht dieses Staates in Betracht (soweit ein Beteiligter dem Gericht den Gefallen erweist, einen entsprechenden Antrag zu stellen, Art. 6 Abs. 1 lit. a EuErbVO). In den verbleibenden Fällen besteht aber weiterhin die (wenn nunmehr aber seltener gewordene) Möglichkeit, dass vor deutschen Gerichten eine Klage nach ausländischem Erbrecht erhoben wird und das deutsche Gericht durch Gestaltungsurteil die testamentarischen Verfügungen reduzieren muss. Dabei dürfte sich auf der Basis der EuErbVO wohl keine Möglichkeit ergeben, dass ein deutsches Gericht eine pflichtteilsrechtliche Gestaltungsklage unter der Begründung zurückweist, das deutsche Recht kenne ein entsprechendes Verfahren nicht. Das rigide System der Zuständigkeitsordnung nach EuErbVO, welches keine konkurrierende internationale Zuständigkeiten zulässt, steht dem entgegen. Selbst bei Geltung ausländischen Rechts kraft Wahl des Rechts eines anderen Mitgliedstaates haben die Gericht aus Art. 6 lit. a EuErbVO nur sehr beschränkte Möglichkeit, die Zuständigkeit als forum non conveniens abzulehnen.