Rz. 309
Die Zuordnung von Nachlassverbindlichkeiten kann bei Nachlassspaltung und unterschiedlichen Beteiligungsquoten an den einzelnen Nachlassteilen zum Streitpunkt werden – wird doch z.B. der testamentarische Erbe versuchen, diese nach Möglichkeit dem Nachlassteil zuzuordnen, der besonders hoch mit Pflichtteilen belastet ist, oder gar diese in mehreren Nachlassmassen gleichzeitig anzusetzen.
Rz. 310
Beispiel
Der italienische Erblasser betrieb ein Unternehmen, das auf die Ausstattung von Badezimmern in Hamburger Villen spezialisiert war. Fliesen, Carrara-Marmor, Badewannen und sonstige Ausstattung bezog er unmittelbar aus Italien. Die Finanzierung der Importe übernahm die Hamburger Sparkasse, der er zur Sicherheit eine Grundschuld an seinem Eigenheim in Blankenese bestellt hatte. Seine deutsche Ehefrau hatte er für das Eigenheim nach deutschem Recht durch im Jahr 2011 beurkundeten Erbvertrag zur Alleinerbin eingesetzt, indem er im Erbvertrag den in Deutschland belegenen Immobilienbesitz gem. Art. 25 Abs. 2 EGBGB a.F. dem deutschen Recht unterstellte. Für das restliche, italienischem Erbstatut unterliegende Vermögen setzte er sie durch Einzeltestament zur Alleinerbin ein. Die drei Kinder machen Pflichtteile nach deutschem und italienischem Recht geltend. Die Beteiligten streiten darüber, ob der auf 492.000 EUR valutierende Betriebsmittelkredit den Wert des Hauses oder des beweglichen Vermögens mindert.
Rz. 311
Im Beispiel würde sich bei Zuordnung der Verbindlichkeit zum unbeweglichen Nachlass der sich nach deutschem Recht auf ¼ des Nachlasswerts belaufende Pflichtteilsanspruch der Kinder gegen die Mutter rechnerisch um den Betrag von 123.000 EUR mindern. Bei Zuordnung zu dem italienischem Erbstatut unterliegenden beweglichen Nachlass hingegen würde sich der Wert der Noterbbeteiligung der Kinder, insgesamt ½ (Art. 542 it. C.C.), um 246.000 EUR, also den doppelten Betrag, mindern.
Rz. 312
Zu unterscheiden ist hier zwischen Haftung im Außenverhältnis und Verteilung der Lasten im Innenverhältnis der Nachlassmassen zueinander, insbesondere also die Zulässigkeit eines Rückgriffs, wenn die Verbindlichkeit aus einer der Nachlassmassen beglichen worden ist. Maßgeblich ist dabei für die Zuordnung das Kollisionsrecht, das die Nachlassspaltung herbeigeführt hat. Bei Rechtswahl gem. Art. 25 Abs. 2 EGBGB a.F. ist dies das deutsche, bei gespaltener Rück- oder Weiterverweisung das am gewöhnlichen Aufenthalt des Erblassers geltende IPR.
Rz. 313
Das deutsche und die meisten anderen Rechte gehen dabei von der unbeschränkten Haftung jedes Spaltnachlasses für sämtliche Nachlassverbindlichkeiten im Außenverhältnis aus. Ausgenommen seien Verbindlichkeiten, die sich ausschließlich auf eine der Massen beziehen (sog. fixierte Nachlassverbindlichkeiten). Hier soll schon im Außenverhältnis die Haftung anderer Massen nicht in Betracht kommen. Dazu zählen – nach umstrittener Auffassung – zunächst dingliche Schulden und Speziesschulden, Herausgabeansprüche etc., die also nur durch eine zu einer bestimmten Masse zugehörige Sache erfüllt werden können. Das gleiche gilt für sog. Erbfallschulden, die also von einem bestimmten Erbstatut für ausschließlich diesen Nachlass angeordnet werden (z.B. Vermächtnisse, Dreißigster etc.). Eine dinglich gesicherte Geldschuld zählt hierzu jedoch nicht, denn diese könne auch aus dem beweglichen Vermögen erfüllt werden. Ferner ist zu berücksichtigen, dass auch eine auf einen bestimmten Gegenstand gerichtete Forderung mit auf Geld gerichteten Nebenforderungen verbunden sein kann (z.B. Schadensersatz aus der Verletzung von Nebenpflichten oder Verzug) bzw. bei Nichterfüllung sogar insgesamt in eine auf Schadensersatz gerichtete Forderung umgewandelt wird. Unabhängig davon gilt die Begrenzung auf den jeweiligen Teilnachlass aber für die nach Eintritt des Erbfalls entstandenen, auf diesen Nachlassteil bezogenen Gebühren und Kosten aus der Verwaltung des Nachlasses sowie für sich allein für diesen Nachlassteil ergebende erbrechtliche Verpflichtungen, wie den Voraus, Vermächtnisansprüche und Pflichtteilsansprüche.
Rz. 314
Umstritten ist, wonach sich die Verteilung der Last im Innenverhältnis richtet. Nach Dörner wird das den Ausgleich festlegende Recht durch das IPR bestimmt, welches die Nachlassspaltung angeordnet hat. Gehe die Nachlassspaltung auf deutsches Recht zurück (Art. 25 Abs. 2 EGBGB a.F.), sei das in Anspruch genommene Recht anzuwenden – praktisch wäre das stets das deutsche Recht. Es gelte zunächst eine Anordnung des Erblassers, hilfsweise § 426 Abs. 1 S. 1 BGB in entsprechender Anwendung. Schurig ermittelt zunächst, ob beide Massen eine übereinstimmende Regel über den Regress enthalten. Ist dies nicht der Fall, sei im deutschen IPR eine materiell-rechtliche Regel zu bilden und im Wege der Angleichung die Last von beiden Massen im Verhältnis der Werts der Aktiva (nach Abzug der fixierten Nachlassverbindlichkeiten) zueinander pro rata hereditatis zu tragen.
Im Beispiel führe...