Rz. 169
Eine Reihe von Staaten, z.B. Israel, Kroatien, Slowenien, Australien und Neuseeland, seit neuerem auch Norwegen, lassen in einer formlosen nichtehelichen Lebensgemeinschaft gegenseitige gesetzliche Erb- und teilweise auch Pflichtteilsrechte wie in einer Ehe entstehen. Nur selten wird erörtert, wie dieses Erbrecht kollisionsrechtlich zu behandeln ist. Nach Dörner soll in dem Fall, dass nach dem Erbstatut der Partner einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft zur gesetzlichen Erbfolge berufen ist, das Bestehen der nichtehelichen Lebensgemeinschaft analog Art. 13 Abs. 1 EGBGB kumulativ nach den Heimatrechten der Lebensgefährten als Vorfrage behandelt werden. Folge wäre, dass das Erbrecht des überlebenden Lebensgefährten nicht allein davon abhängt, dass ihm das Erbstatut ein solches gewährt, sondern kumulativ davon, dass nach den Heimatrechten beider Partner eine "nichteheliche Lebensgemeinschaft" vorlag. Da beispielsweise das deutsche Recht die nichteheliche Lebensgemeinschaft nicht regelt, würde ein Deutscher, der mit seiner slowenischen Lebensgefährtin in Maribor im Konkubinat lebt, diese nicht von Gesetzes wegen beerben und erhielte nach ihrem Tod keinen Pflichtteil.
Rz. 170
Nach anderer, wohl überwiegender Auffassung stellt das Bestehen einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft keine Vorfrage dar. Die Anforderungen für das Vorliegen der nichtehelichen Lebensgemeinschaft sollen unmittelbar dem Erbstatut entnommen werden bzw. dem Familienrecht der Rechtsordnung, nach deren Recht sich die Erbfolge richtet. Im Beispiel wäre mithin allein anhand des slowenischen Rechts zu prüfen, ob die Voraussetzungen für das Bestehen einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft erfüllt sind (Dauer des Zusammenlebens, Verschiedengeschlechtlichkeit, Ledigenstatus etc.). Danach wäre ein gesetzliches Erb- und Pflichtteilsrecht des deutschen Lebensgefährten zu bejahen.
Rz. 171
Die letztere Auffassung erscheint insoweit sympathischer, als die nichteheliche Lebensgemeinschaft faktisches Verhältnis ist und nicht rechtliche Vorfrage sein kann. Hinzu kommt, dass die Voraussetzungen für das Vorliegen einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft in den einzelnen Staaten sehr unterschiedlich sind. Vielfach sind die rechtlichen Folgen und die Voraussetzungen für das Vorliegen einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft aufeinander abgestimmt, so dass verschiedene Systeme nicht kombiniert werden sollten. Bei unterschiedlichen Erbstatuten ergeben sich jedoch Ungleichheiten, wenn nur eines der beiden Rechte ein Pflichtteilsrecht des nichtehelichen Lebensgefährten vorsieht: So würde im Beispiel die Slowenin keinen Pflichtteil nach ihrem deutschen Lebensgefährten geltend machen können, wenn dieser die Erbfolge durch Rechtswahl seinem deutschen Heimatrecht unterstellt hatte, Art. 22 EuErbVO.
Rz. 172
Praxishinweis
Partner einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft mit unterschiedlichen Nationalitäten sollten auf diese Probleme hingewiesen werden. Als Lösung käme z.B. in Betracht, dass der deutsche Lebensgefährte seine Partnerin vertraglich bindend zur Erbin einsetzt. Eine Angleichung wäre auch in die andere Richtung denkbar, indem der deutsche Gefährte gegenüber seiner slowenischen Gefährtin einen Erbverzicht erklärt. Im vorliegenden Fall wäre ein Verzicht jedoch nicht wirksam, da das hierfür geltende slowenische Heimatrecht der Lebensgefährtin einen Erbverzicht nicht anerkennt.
Rz. 173
Nachdem unter der Erbrechtsverordnung das Erbstatut an den gewöhnlichen Aufenthalt des Erblassers angeknüpft, wird es regelmäßig – aber nicht zwangsläufig – für beide Lebensgefährten zur Geltung des gleichen Erbrechts kommen. Das vorgenannte Problem ist daher praktisch verschwunden.
Rz. 174
Praxishinweis
Vorsicht ist allerdings angebracht, wenn Inländer in einen der vorgenannten Staaten ziehen, deren Rechtsordnung ein gesetzliches Erb- und Pflichtteilsrecht aufgrund faktischen Zusammenlebens entstehen lässt. Die Wahl deutschen Heimatrechts als Erbstatut kann hier allenfalls dann helfen, wenn sie auch aus Sicht des ausländischen Aufenthaltsstaates zur Geltung deutschen Erbrechts führt (was z.B. in Slowenien aufgrund Geltung der Erbrechtsverordnung der Fall wäre, in Israel oder Neuseeland wegen der zwingenden Geltung des Wohnsitzrechts aber nicht).