1. Erbrechtliche Bedeutung des Trusts
Rz. 232
Der trust ist eine dem angloamerikanischen Rechtskreis eigentümliche Rechtsfigur, bei der der Errichter des Trusts (settlor) das Eigentum in das formelle Eigentum (legal title) und das Recht, die Nutzungen der Sache zu erhalten, aufspaltet. Die formale Eigentumsposition, der legal title, insbesondere das Verfügungs- und Verwaltungsrecht über die Sache, steht dem trustee (Treuhänder) zu. Die Nutzungen hingegen gebühren den beneficiaries (Begünstigte). Anders als der Treugeber bzw. der Begünstigte im deutschen Treuhandrecht ist die Stellung des beneficiary nicht auf einen Anspruch gegen den Treuhänder begrenzt. Das Trustgut wird auch Dritten gegenüber rechtlich dem beneficiary zugeordnet. Bei treuwidrigen Verfügungen steht dem Begünstigten ein Verfolgungsrecht gegen dritte Erwerber zu. Die rechtliche Verselbstständigung des Treuguts ist so stark, dass sogar der settlor selber trustee werden kann, also zur Begründung des Trusts nicht einmal ein Wechsel des Inhabers erforderlich ist.
Rz. 233
Hieraus ergeben sich vielfältige Möglichkeiten für die Gestaltung der Vermögensnachfolge:
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Der Eigentümer kann den Trust durch letztwillige Verfügung errichten (testamentary trust). Der Trust kann dann z.B. dazu eingesetzt werden, den Nachlass für minderjährige, geschäftsunerfahrene oder geschäftsunfähige Kinder zu verwalten oder zu verhindern, dass dieser bei überschuldeten Kindern dem Zugriff der Gläubiger unterliegt (z.B. für ein "Behindertentestament"). |
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Der Erblasser kann auch dadurch, dass er den beneficiary zeitlich begrenzt oder befristet einsetzt, ein der Vor- und Nacherbfolge vergleichbares Ergebnis erreichen. |
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Beim inter vivos trust (living trust) setzt der Begründer des Trusts (settlor oder trustor) durch Verfügung unter Lebenden einen anderen oder sich selbst als trustee und sich selbst auf Lebzeiten als beneficiary ein. Damit begibt er sich zu Lebzeiten weder rechtlich noch wirtschaftlich des Trustguts. Für den Fall des Todes wird eine andere Person als trustee benannt, die das Trustgut entsprechend den Vorgaben in der Trust-Errichtungsurkunde verwaltet, und eine andere Person (also z.B. der überlebende Ehegatte, die überlebenden Kinder oder sonstige zu begünstigende Personen) als beneficiary. Die Anordnungen können widerruflich oder unwiderruflich getroffen werden (irrevocable trust). Das Trustgut wird auf diese Weise außerhalb der Erbfolge weitergegeben und unterfällt nicht dem aufwendigen probate-Verfahren. |
2. Kollisionsrechtliche Behandlung des Trusts
Rz. 234
In Art. 1 Abs. 2 lit. j EuErbVO werden die Errichtung, Funktionsweise und Auflösung eines Trusts ausdrücklich vom Anwendungsbereich der EuErbVO ausgeschlossen. Pflichtteile unterliegen aber gem. Art. 23 lit. h EuErbVO dem Erbstatut. Daher dürfte sich unter der Erbrechtsverordnung an der vorgenannten Problemlage und der bisherigen Lösung wenig ändern.
Rz. 235
Für das auf den Trust anwendbare Recht enthält das deutsche Recht keine einheitliche Kollisionsnorm. Das Haager Übereinkommen über das auf den Trust anwendbare Recht und die Anerkennung von Trusts vom 1.7.1985 ist von Deutschland nicht gezeichnet worden. Die Zuordnung zu den bestehenden Kollisionsnormen muss sich an den jeweiligen Wirkungen des Trusts und seiner konkreten Funktion orientieren. Im Einzelnen ist jedoch noch vieles umstritten oder ungelöst.
Rz. 236
Beim inter vivos trust wird man wohl zwischen dem Innen- und dem Außenverhältnis unterscheiden müssen: Für das Innenverhältnis, also die Beziehungen zwischen dem settlor und dem trustee, soll nach einer Ansicht das am Sitz der Hauptverwaltung geltende Recht, nach interessengerechter Ansicht das vom settlor bestimmte Recht gelten. Weitgehende Einigkeit besteht aber dahingehend, dass die dinglichen Wirkungen, also die Aufspaltung des Eigentums in Verwaltung und Zuweisung des materiellen Gehalts des Eigentums, sachenrechtlich zu qualifizieren ist und deren Zulässigkeit dem für das jeweilige einzelne Recht maßgeblichen Recht (also dem Sachenstatut, dem Forderungsstatut, dem Gesellschaftsstatut etc.) unterliegt. Dabei ist allgemein anerkannt, dass sich die Aufspaltung des Eigentums mit dem deutschen Sachenrecht, insbesondere dem hier geltenden numerus clausus der Sachenrechte, nicht vereinbaren lässt. Die Einbringung deutschem Sachenstatut unterliegender Sachenrechte oder deutschem Recht unterliegender Forderungen bzw. Gesellschaftsanteile in einen Trust ist daher nicht möglich. Allenfalls könnte man das entsprechende Rechtsgeschäft in eine Treuhandvereinbarung, die Erbeinsetzung der Begünstigten (unselbstständige Stiftung) und/oder die Bestellung eines Testamentsvollstreckers umdeuten.
Rz. 237
Praktisch bedeutete das nach der bis zum Inkrafttreten der EuErbVO herrschenden Ansicht, dass in einem auf den deutschen Nachlass gegenständlich beschränkten Erbschein die beneficiaries als Erben einzutragen wären, der trustee hinge...