Claudia Wagener-Neef, Frank-Michael Goebel
a) Einleitung
Rz. 213
Besondere Probleme wirft in der Praxis immer wieder die Frage auf, inwieweit Inkassokosten vom Schuldner zu erstatten sind. Aus einer hergebrachten Skepsis der rechtsberatenden Berufe und der Justiz gegenüber den aus dem kaufmännischen Berufsstand kommenden Inkassounternehmen resultiert, dass über die Erstattung der Inkassokosten regelmäßig gestritten werden muss. Dies rechtfertigt es, die Problematik gesondert abzuhandeln.
Für die Zwangsvollstreckung steht nicht in Frage, dass die von einem Inkassounternehmen nach § 79 Abs. 2 Nr. 4 ZPO berechtigt eingeleiteten Vollstreckungsmaßnahmen nach Maßgabe des RVG vergütet werden und diese Vergütung nach § 788 ZPO erstattet wird. Die frühere Regelung in § 4 Abs. 4 RDGEG ist mit Wirkung zum 1.10.2021 in § 13e Abs. 2 RDG inhaltsgleich überführt worden und insoweit eindeutig. Das wird auch in der Praxis nicht bestritten.
Rz. 214
Beauftragt der Gläubiger ein Inkassounternehmen, so haftet er zunächst auch für die aus diesem Geschäftsbesorgungsvertrag geschuldete Vergütung an den Inkassounternehmer, §§ 675, 611, 612 BGB. Anders als beim Rechtsanwaltsvertrag gilt keine gesetzliche Gebührenordnung, sondern die Vergütung kann bis zur Grenze des § 138 BGB frei vereinbart werden. Gleichwohl orientiert sie sich in der Praxis weitgehend am RVG. Zusätzlich werden meist – dem Rechtsanwalt in diesem Umfang gesetzlich untersagte – "Erfolgsprovisionen" vereinbart, damit das Inkassounternehmen dem Gläubiger das Risiko abnimmt, dass seine Rechtsverfolgungskosten in Form der RVG-Vergütung des Inkassounternehmens vom Schuldner auch erstattet werden. Der Erstattungsanspruch wird deshalb regelmäßig an Erfüllung statt abgetreten (§ 364 BGB), wenn der Schuldner die Kosten (zunächst) nicht erstattet.
Hinweis
Nachdem der Gesetzgeber davon abgesehen hat, dieses Modell zu sanktionieren, hat das OLG Hamburg auf eine Musterfeststellungsklage angenommen, dass es sich um eine lediglich fiktive Schadensposition handele, sodass eine Erstattungsfähigkeit zu verneinen sein. Diese Auffassung wird zu Recht als kaum vertretbar angesehen. Es ist deshalb zu erwarten, dass der BGH im anhängigen Revisionsverfahren zu einem anderen Ergebnis gelangt. Das OLG verkennt in zentraler Hinsicht, dass die Abtretung an Erfüllungs statt eine Form der Gläubigerbefriedigung darstellt und unabhängig vom Entstehen der Forderung zu betrachten ist. Auch wird übersehen, dass der Gläubiger für die Übernahme des Liquiditätsrisikos des Schuldners im Hinblick auf die Rechtsverfolgungskosten eine Vergütung – gleich einer Versicherungsprämie bei der Vollkaskoversicherung – zahlt, nämlich einen Anteil an den vereinnahmten Geldern an den Inkassodienstleister als "Erfolgsprovision" abführt. Der Begriff ist insoweit irreführend. Es würde besser von "Vergütung für die Übernahme des Liquiditätsrisikos" (VÜL) gesprochen werden.
Rz. 215
Hinweis
Dies kann für den Gläubiger mit besonderen Vorteilen schon allein deshalb verbunden sein, weil er keine eigene Inkassoabteilung mit den damit verbundenen Fixkosten vorhalten muss, sondern bezogen auf den konkreten Auftrag eine Vergütung zahlt, die regelmäßig unter möglichen Eigenkosten liegt. Das dient auch seinen übrigen Kunden, weil der Forderungsausfall und die Kosten der Forderungseinziehung über die Preise alle Kunden (vor allem Verbraucher) treffen. Darüber hinaus nutzt er das besondere Wissen und die Spezialisierung dieses Dienstleistungsunternehmens. Das Inkasso wird regelmäßig nicht zu seinen Kernkompetenzen gehören. Letztlich wird ein Inkassodienstleister häufig als Mittler zwischen Schuldner und Gläubiger betrachtet, sodass neben der Forderungsbeitreibung auch die Erhaltung der Kundenbeziehung ein wesentliches Kriterium zur Beauftragung des Inkassodienstleisters ist, da die Kosten der Kundengewinnung immer höher werden. Dem Rechtsanwalt eilt hier verstärkt der Ruf des Streitenden voraus, der auf die Forderungsrealisierung in jedem Fall setzt.
Als seriös, weil einer besonderen Selbstkontrolle unterliegend, können dabei die Inkassounternehmen angesehen werden, die dem Bundesverband Deutscher Inkassounternehmen e.V. (BDIU) angeschlossen sind.
Rz. 216
Mit der Neuregelung des Rechtsberatungsrechtes durch die zum 1.7.2008 erfolgende Zulassung der Inkassounternehmen zur Tätigkeit im gerichtlichen Mahnverfahren und der gesamten Mobiliarzwangsvollstreckung, d.h. nunmehr auch der Forderungsvollstreckung, § 79 Abs. 2 Nr. 4 ZPO, ist das Tätigkeitsspektrum der Inkassounternehmen im Vergleich zur früheren Rechtslage deutlich erweitert. Zum 1.10.2021 wurde die Vorschrift neu gefasst und etwas gestrafft, ohne dass die inhaltliche Regelung verändert wurde.
Rz. 217
Hinweis
Der Rechtsanwalt wird deshalb nur durch die hohe Qualität seines Forderungsmanagements konkurrieren können. Soweit eine entsprechende Spezialisierung – gerade auch in der Anbindung von Auskunfteien und einem hohen Grad an Automatisierung – nicht geboten werden kann, sollte er die Kooperation mit einem Inkassodiens...