a) Definition
Rz. 529
§ 28 VVG beschäftigt sich mit den Rechtsfolgen von Obliegenheitsverletzungen, ohne dass hier der Begriff der Obliegenheiten jedoch definiert wird.
Definition
Nach ständiger Rechtsprechung handelt es sich bei Obliegenheiten um Verhaltensnormen, die vom Versicherungsnehmer zu beachten sind, damit er seinen Anspruch auf Versicherungsleistung behält. Allerdings handelt es sich bei Obliegenheiten im Versicherungsrecht nicht um echte, also unmittelbar erzwingbare Verbindlichkeiten, sondern um bloße Verhaltensnormen.
b) Gesetzliche und vertragliche Obliegenheiten
Rz. 530
Bei den Obliegenheiten wird unterschieden zwischen gesetzlichen Obliegenheiten, die sich aus dem Versicherungsvertragsrecht ergeben (z.B. Anzeigepflicht gem. § 30 VVG, Auskunftsobliegenheit gem. § 31 VVG), und vertraglichen Obliegenheiten; diese ergeben sich aus den Allgemeinen Versicherungsbedingungen oder aus einzelvertraglichen Vereinbarungen der Parteien. Nur letztere werden in § 28 VVG geregelt. Übernimmt der Versicherer eine gesetzliche Obliegenheit unverändert in die Allgemeinen Versicherungsbedingungen, kommt § 6 VVG a.F. bzw. nunmehr § 28 VVG nicht zur Anwendung.
c) Obliegenheitsverletzung und Leistungsanspruch des Versicherungsnehmers
Rz. 531
§ 28 VVG, der sich lediglich auf vertragliche Obliegenheiten bezieht, unterscheidet zwischen solchen vor Eintritt des Versicherungsfalls und solchen nach dessen Eintritt.
aa) Obliegenheiten vor Eintritt des Versicherungsfalles
Rz. 532
Die noch in § 6 Abs. 1 S. 3 VVG a.F. vorgesehene Kündigungspflicht des Versicherers als Voraussetzung der Berufung auf eine Leistungsfreiheit wurde ersatzlos gestrichen. § 28 Abs. 1 VVG räumt dem Versicherer damit ein Kündigungsrecht ein, nicht aber eine Kündigungspflicht. Der Versicherer ist daher nicht zu einer Kündigung gehalten, um sich auf Leistungsfreiheit berufen zu können.
Rz. 533
Ein solches Kündigungsrecht ist allerdings in der Krankenversicherung zum Teil eingeschränkt.
Bei Verletzung der in § 9 Abs. 5 und 6 MB/KK genannten Obliegenheiten ist es zwar vorgesehen, allerdings nur in Bezug auf ein Versicherungsverhältnis, das nicht der Erfüllung der Pflicht zur Versicherung gem. § 193 Abs. 3 VVG dient.
Rz. 534
Ein anderer Regelungsgehalt wäre im Hinblick auf die Einführung der Versicherungspflicht systemwidrig gewesen, obschon § 194 Abs. 1 VVG die Anwendbarkeit von § 28 VVG auf die Krankenversicherung insgesamt vorsieht. Da in § 10 MB/KK das Kündigungsrecht des Versicherer bei einer die Versicherungspflicht erfüllenden Krankenversicherung ausdrücklich ausgeklammert ist, wird der nicht abdingbaren Vorschrift des § 206 Abs. 1 VVG Rechnung getragen, die grundsätzlich jede Kündigung einer Krankheitskostenversicherung, die eine Pflicht nach § 193 Abs. 3 S. 1 erfüllt, für den Versicherer ausschließt.
bb) Obliegenheiten nach Eintritt des Versicherungsfalles
Rz. 535
Ist eine Obliegenheit nach Eintritt des Versicherungsfalls verletzt, so behält der Versicherungsnehmer seinen Leistungsanspruch nach § 28 Abs. 3 VVG dann, wenn die Verletzung weder auf Vorsatz noch auf grober Fahrlässigkeit beruht. Bei grob fahrlässiger Verletzung bleibt der Versicherer zur Leistung insoweit verpflichtet, als die Verletzung Einfluss weder auf die Feststellung des Versicherungsfalles noch auf die Feststellung oder den Umfang der dem Versicherer obliegenden Leistung gehabt hat.