Rz. 662
In den AVB wird oft der Wegfall der beruflichen Tätigkeit, also die Erwerbslosigkeit, als Wegfall der Versicherungsfähigkeit definiert.
Dabei ist zunächst in Rechtsprechung und Literatur danach unterschieden worden, ob die Erwerbslosigkeit bzw. die zur Erwerbslosigkeit führende Kündigung auf der Erkrankung des Versicherten beruht oder ob sie hiervon unabhängig erfolgt war; ferner ist danach unterschieden worden, ob die Kündigung vom Arbeitgeber oder vom Arbeitnehmer ausgesprochen wurde. Aus diesen Konstellationen waren unterschiedliche Konsequenzen hergeleitet wurden.
Rz. 663
Seit der Entscheidung des BGH vom 15.5.2002 bedarf es dieser unterschiedlichen Betrachtungsweisen nicht mehr. Der BGH hat klargestellt, dass die Versicherungsfähigkeit in Fällen, in denen nur erwerbstätige Personen versicherungsfähig sind, bei einem in abhängiger Stellung tätigen Versicherten nicht schon mit der (Eigen- oder Fremd-)Kündigung seines Arbeitsverhältnisses erlischt.
Rz. 664
Für selbstständig Beschäftigte gilt nach Auffassung des BGH nichts anderes. Zur Begründung weist der BGH darauf hin, dass für Bedingungsklauseln in der Krankentagegeldversicherung, nach denen eine selbstständige Berufs- bzw. Erwerbstätigkeit Voraussetzung der Versicherungsfähigkeit war, die Aufgabe einer gewerblichen Tätigkeit aus wirtschaftlichen Erwägungen noch nicht das Ende der selbstständigen Erwerbstätigkeit des Versicherten bedeutet. In einem solchen Fall muss vielmehr davon ausgegangen werden, dass der Versicherte ohne die Erkrankung alsbald wieder auf andere Weise eine selbstständige Erwerbstätigkeit ausgeübt hätte und dass er nur durch seine Krankheit hieran gehindert worden ist. Das Gegenteil kann nur dann angenommen werden, wenn der Versicherer konkrete Tatsachen vorträgt und ggf. Beweise erbringt, aus denen sich ergibt, dass der Versicherte nicht mehr gewillt war, nach Wiederherstellung seiner Gesundheit eine selbstständige Erwerbstätigkeit auf eine andere Weise auszuüben.
Rz. 665
Die Versicherungsfähigkeit endet erst in dem Zeitpunkt, in dem der Versicherungsnehmer auch bei einer Gesundung von einer neuen Tätigkeit Abstand genommen hätte oder seine Bemühungen um Aufnahme einer solchen Tätigkeit gescheitert wären. Daher erlischt die Versicherungsfähigkeit eines Selbstständigen nicht schon allein durch Aufgabe seiner bisherigen Tätigkeit.
Rz. 666
Dementsprechend endet der Versicherungsschutz bei einem niedergelassenen Arzt nicht schon dann, wenn er während der Erkrankung aus krankheitsbedingten und wirtschaftlichen Erwägungen seine Tätigkeit als niedergelassener Arzt aufgibt.
Sieht sich ein selbstständiger Versicherungsnehmer nach Eintritt, aber vor Beendigung des Versicherungsfalls genötigt, aus wirtschaftlichen Erwägungen eine bestimmte gewerbliche Tätigkeit aufzugeben, bedeutet dies, selbst wenn er sein Gewerbe abmeldet, sein Unternehmen verkauft oder vergleichbare Entscheidungen trifft, nicht zwingend, dass er aus diesem Grunde seine Tätigkeit grundsätzlich aufgeben und aufhören will, selbstständig erwerbstätig zu sein. Auch in diesem Fall wird davon auszugehen sein, dass der Versicherungsnehmer ohne die Erkrankung alsbald wieder auf andere Weise eine selbstständige Erwerbstätigkeit ausgeübt hätte und daran nur durch die Krankheit gehindert worden ist.
Rz. 667
Der Versicherer muss also konkrete Tatsachen vortragen und Beweise erbringen, aus denen sich die Arbeitsunwilligkeit des Versicherten ergibt. Er muss hierzu Tatsachen vortragen und beweisen, die den Schluss darauf rechtfertigen, dass der Versicherte auch nach seiner Genesung nicht mehr gewillt ist, eine selbstständige Tätigkeit auszuüben oder dass ihm dies nicht mehr möglich ist.
Nach anderer Auffassung könne bei Beendigung der Erwerbstätigkeit nicht ohne Weiteres unterstellt werden, dass diese auf Erkrankung beruhe oder der Versicherungsnehmer nach Beendigung der Erkrankung wieder eine selbstständige Tätigkeit aufnehmen werde. Nach der dort vertretenen Auffassung werde der selbstständige Versicherungsnehmer, der nach seiner Erkrankung seine ursprüngliche Tätigkeit wieder aufnehmen will, bemüht sein, sein Unternehmen etwa durch Einstellung einer Ersatzkraft aufrecht zu erhalten. Aus diesem Grunde sollen die Veräußerung des Betriebes, der Praxis oder die Insolvenz eines Unternehmens zum Wegfall der Versicherungsfähigkeit wegen Erwerbslosigkeit führen. Dem ist nicht zuzustimmen.
Rz. 668
Inzwischen wurden vom BGH eine Vielzahl von Klauseln, die den Wegfall der Versicherungsfähigkeit bei Beendigung der beruflichen Tätigkeit vorsehen, als unwirksam angesehen:
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Klausel, wonach nur erwerbstätige Personen versicherungsfähig waren, |
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Klausel, nach der die Versicherungsfähigkeit vom ununterbrochenen Vorhandensein eines festen Arbeitsverhältnisses abhängig gemacht wurde, |
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Klausel, nach der die Versicherungsfähigkeit bei Selbstständigen von der Erzielung regelmäßiger Einkünfte abhängig gemacht wurde. |
Rz. 669
Der BGH hat eine Klausel, aus der sich erg...