Rz. 17
Am 1.4.2007 trat das Gesetz "zur Stärkung des Wettbewerbs in der gesetzlichen Krankenversicherung" in Kraft (GKV-WSG), das mit Wirkung ab 1.7.2007 in §§ 257, 315 SGB V einen "modifizierten" Standardtarif einführte. Zum einen wurde der Zugang zur privaten Krankenversicherung erschwert und zum anderen im Rahmen eines sog. Standardtarifs einem bestimmten Personenkreis Zugang zur privaten Krankenversicherung verschafft, der nach den üblichen Grundsätzen keinen Zugang hierzu gehabt hätte.
Rz. 18
Die Wechselmöglichkeit von der gesetzlichen in die private Krankenversicherung für abhängig Beschäftigte war darin ursprünglich nur noch gegeben, wenn ihr Gehalt in drei aufeinander folgenden Jahren oberhalb der Jahresarbeitsentgeltgrenze liegt. Bereits 2010 wurde dies wieder dahingehend geändert, dass seither wieder ein einmaliges Überschreiten ausreicht. In den Volltarifen der privaten Krankenversicherung ist dabei eine Gesundheitsprüfung zwingend vorgesehen. Die Beitragshöhe hängt vom Eintrittsalter des Versicherten ab.
Rz. 19
Art. 43 GKV-WSG, der Änderungen der §§ 178a–178o VVG a.F. vorsah, ist allerdings schon vor seinem Inkrafttreten durch die VVG-Reform gegenstandslos geworden und durch Art. 10 des Gesetzes zur Reform des VVG (VVG-Reformgesetz) wieder aufgehoben worden.
Rz. 20
Relevant wurden jedoch die in Art. 44 Nr. 5–8 GKV-WSG enthaltenen Änderungen/Ergänzungen des VAG zur
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Mitnahme des Übertragungswertes bei Wechsel des Krankenversicherungsunternehmens, § 12 Abs. 1 Nr. 5 VAG a.F., inzwischen § 146 Abs. 1 Nr. 5 VAG 2016, |
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Einführung eines brancheneinheitlichen Basistarifs mit Kontrahierungszwang ohne Risikoprüfung, § 12 Abs. 1a–c VAG a.F., inzwischen § 152 Abs. 1 VAG 2016, |
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Regelung zu Umfang und Leistungen sowie Betragsbegrenzungen im Basistarif; § 12 Abs. 1d, 4b VAG a.F., inzwischen § 152 Abs. 2 VAG 2016, |
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Risikoausgleich für den Basistarif zwischen den Versicherungsunternehmen, die einen Basistarif betreiben, § 12g VAG a.F., inzwischen § 154 VAG 2016. |
Rz. 21
Die von der Vielzahl der Unternehmen der privaten Krankenversicherung eingelegten Verfassungsbeschwerden gegen das GKV-WSG bzw. Teile der Gesundheitsreform wurden durch das BVerfG zurückgewiesen. Die Entscheidung hat die verfassungsrechtliche Anerkennung des dualen Krankenversicherungssystems mit zwei Versicherungssäulen in Gestalt der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) und privaten Krankenversicherung (PKV) zum Inhalt. Ausdrücklich gebilligt wurden weitreichende Eingriffe in das bisherige System der PKV, damit diese ebenfalls zur Vollfunktionalität erstarken. Danach seien die Beeinträchtigungen durch den Basistarif nicht schwerwiegend, das absolute Kündigungsverbot natürliche Konsequenz der Versicherungspflicht in der PKV, die Übertragung der Alterungsrückstellungen für die PKV nicht gefährdend im Hinblick auf die erfolgte Begrenzung auf den dem Basistarif entsprechenden Teil und die dreijährige Wechselsperre für den Übertritt von GKV in PKV zulässig. Den Gesetzgeber trifft allerdings eine Beobachtungspflicht. So wurde nachfolgend u.a. die Aufhebung der dreijährigen Wechselsperre bereits 2010 gesetzgeberisch umgesetzt und 2013 der Notlagentarif eingeführt.