Rz. 126

Der Versicherer ist gem. § 155 Abs. 3 VAG, § 10 Abs. 1 KalV[70] verpflichtet, für jeden nach Art der Lebensversicherung kalkulierten Tarif jährlich die tatsächlich aufgewendeten Versicherungsleistungen mit den kalkulierten Leistungen zu vergleichen. Bei einer Abweichung von mehr als 10 % hat der Versicherer alle Prämien dieses Tarifs zu prüfen und mit Zustimmung des Treuhänders anzupassen, es sei denn, die Abweichung sei lediglich als vorübergehend anzusehen, § 155 Abs. 3 VAG.

 

Rz. 127

Die Voraussetzungen für die Prämienanpassung mussten in mehreren höchstrichterlichen Entscheidungen geklärt werden. Diese Entscheidungen sind zu § 178 g Abs. 2 VVG a.F. ergangen, aber wegen der fehlenden inhaltlichen Änderungen nach wie vor heranzuziehen.

In § 203 Abs. 1 S. 1 VVG ist allerdings insoweit abweichend geregelt, als dass die Prämienanpassung nicht mehr auf die Veränderung des Schadenbedarfs, sondern auf die für die Prämienkalkulation maßgeblichen Rechnungsgrundlagen abgestellt. Als maßgebliche Rechnungsgrundlagen sind in S. 3 die Versicherungsleistungen und Sterbewahrscheinlichkeiten ausdrücklich genannt.

 

Rz. 128

Eine Entscheidung des BGH vom 22.9.2004[71] befasste sich mit einer Prämienanpassung durch den Krankenversicherer vor Inkrafttreten des Dritten Durchführungsgesetzes/EWG zum VAG vom 21.7.1994 und mit der Einführung des gesetzlichen Prämienanpassungsrechts in § 178 g Abs. 2 VVG a.F. Diesem Urteil war eine Entscheidung des BVerfG[72] vorangegangen mit Ausführungen über die tatsächliche und rechtliche Prüfung der Prämienanpassung durch die Zivilgerichte: Die Prüfung der Prämienanpassung darf sich nicht auf die Frage beschränken, ob die Zustimmung des Treuhänders vorliegt. Entscheidend ist vielmehr, ob die objektiven Voraussetzungen für eine Prämienerhöhung gegeben sind.

Der BGH hat in seiner Entscheidung die Prämienberechnung als im Prinzip und im Einzelnen zutreffend angesehen und festgestellt, dass sie den vereinbarten Berechnungsgrundsätzen und der Billigkeit entspreche. Der BGH hat die §§ 317 Abs. 1, 319 Abs. 1 BGB als nicht anwendbar angesehen.

 

Rz. 129

In der Entscheidung des BGH vom 16.6.2004[73] werden die Voraussetzungen und die Berechnungsmaßstäbe für eine Prämienanpassung durch den Krankenversicherer zu einer Prämienanpassung vom 1.1.2000 – geprüft auf der Grundlage der § 178 g Abs. 2 VVG a.F. – ausführlich dargelegt.

Danach ist der Versicherer nur berechtigt, die sich aus den §§ 12 und 12 a i.V.m. § 12 c VAG a.F. (inzwischen § 155 VAG 2016) ergebenden Prämien zu verlangen. Da der Treuhänder die Zustimmung zur Prämienerhöhung nur nach Maßgabe dieser Vorschrift erteilen kann, kann auch eine wirksame Zustimmung im Sinne von § 178 g Abs. 2 VVG a.F. nur dann vorliegen, wenn die aufsichtsrechtlichen Voraussetzungen eingehalten sind. Das Prämienanpassungsrecht des Versicherers und die Erteilung der Zustimmung durch den Treuhänder unterliegen indes nicht dem Maßstab des billigen Ermessens, sondern nur den durch die genannten Rechtsvorschriften geregelten engen und verbindlichen Vorgaben. Im Gegensatz zu der Prämienanpassung in der Lebensversicherung ist bei der Prämienanpassung in der Krankenversicherung die Prüfung der Angemessenheit nach § 178 g Abs. 2 VVG a.F. nicht vorgesehen.

 

Rz. 130

Die gerichtliche Prüfung ist demnach daran vorzunehmen, ob die Prämienanpassung nach aktuellen Grundsätzen als mit den bestehenden Rechtsvorschriften in Einklang stehend anzusehen ist. Somit ist zunächst zu klären, ob die Anpassungsvoraussetzungen gegeben sind. Ist dies der Fall, ist zu überprüfen, ob die vom Versicherer vorgenommene Neuberechnung der Prämie nach aktuellen Grundsätzen mit den bestehenden Rechtsvorschriften und eventuell zugunsten des Versicherten davon abweichenden vertraglichen Bestimmungen in Einklang steht.

 

Rz. 131

Bei einer gerichtlichen Überprüfung von Beitragsanpassungen ist in der Krankenversicherung die Einholung eines Sachverständigengutachtens geboten. Gegenstand der gerichtlichen Überprüfung sind nur die Unterlagen, die der Versicherer dem Treuhänder zur Prüfung gem. § 155 VAG, § 15 KalV vorgelegt hat.

Dabei kann im gerichtlichen Verfahren über eine Prämienanpassung einem berechtigten Geheimhaltungsinteresse des Versicherers an den technischen Berechnungsgrundlagen im Einzelfall durch den Ausschluss der Öffentlichkeit gemäß § 172 Nr. 2 GVG und die Verpflichtung zur Verschwiegenheit gemäß § 174 Abs. 3 GVG Rechnung getragen werden.[74]

 

Rz. 132

Die Änderung der Versicherungsbedingung bei einer nicht nur als vorübergehend anzusehenden Veränderung der Verhältnisse des Gesundheitswesens war in § 178 g Abs. 3 VVG a.F. geregelt. In seiner bisherigen Rechtsprechung hatte der BGH das Verbandsklageverfahren als nicht geeignet angesehen, um die Einbeziehung von AVB-Änderungen gem. § 178 g Abs. 3 VVG a.F. zu überprüfen.

 

Rz. 133

Diese Rechtsprechung wurde durch Urteil des BGH vom 12.12.2007 aufgegeben.[75] Durch das Verbandsklageverfahren soll davor geschützt werden, dass der Versicherer durch den Hinweis auf n...

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