a) Gedehnter Versicherungsfall
Rz. 304
Der Versicherungsfall in der Krankenversicherung ist ein sog. gedehnter Versicherungsfall.
Rz. 305
Nach der Definition des BGH ist Wesensmerkmal eines gedehnten Versicherungsfalls nicht sein schrittweises Eintreten, sondern die Fortdauer des mit seinem Eintritt geschaffenen Zustandes über einen mehr oder weniger langen Zeitraum, sofern diese Fortdauer nicht nur bestimmend ist für die Pflicht des Versicherers zur Erbringung einer einmaligen Versicherungsleistung, sondern deren Umfang im Einzelfall erst bestimmt.
b) Beginn, Ende
Rz. 306
Der Versicherungsfall beginnt gem. § 1 Abs. 2 S. 2 MB/KK mit dem Beginn der Heilbehandlung; diese beginnt mit der ersten ärztlichen Untersuchung. Der BGH hat ausdrücklich klargestellt, dass zur Behandlung einer Krankheit nicht nur die unmittelbare Heiltätigkeit gehört, sondern auch schon die erste ärztliche Untersuchung, die auf die Erkennung des Leidens abzielt ohne Rückschlüsse darauf, ob sofort oder erst nach weiteren Untersuchungen eine endgültige und richtige Diagnose gestellt und mit den eigentlichen Heilmaßnahmen begonnen worden ist.
Für die zahnärztliche Behandlung bedeutet dies, dass diese regelmäßig mit der einem Heil- und Kostenplan vorausgehenden Untersuchung beginnt:
Für die stationäre Behandlung tritt der Versicherungsfall ebenfalls bereits mit Beginn einer vorangegangen Diagnostik oder ambulanten Behandlung ein.
Rz. 307
Auch beim Unfall ist der Beginn des Versicherungsfalls mit dem Beginn der hierdurch erforderlichen Heilbehandlung identisch.
Die Frage nach dem Beginn der Krankheit ist für den Beginn des Versicherungsfalls nicht entscheidend.
Rz. 308
Die genaue Fixierung des Beginns des Versicherungsfalls ist notwendig und wichtig insbesondere für die Frage, ob der Versicherungsfall vor oder nach Beginn des Versicherungsschutzes eingetreten ist. Bei Altverträgen bestimmt der Eintritt des Versicherungsfalles über die Anwendbarkeit neuem oder altem VVG im Hinblick auf die besondere Übergangsregelung in Art. 1 Abs. 2 EGVVG.
Rz. 309
Der Versicherungsfall endet gem. § 1 Abs. 2 S. 2 MB/KK, "wenn nach medizinischem Befund Behandlungsbedürftigkeit nicht mehr besteht".
Entscheidend ist danach ausdrücklich nicht, ob noch oder weiterhin Beschwerden bestehen, sondern ob weiterhin Behandlungsbedürftigkeit besteht. Ausreichend ist, dass eine ärztliche oder röntgenologische Überwachung weiterhin aus objektiver ärztlicher Sicht angezeigt ist. Die Frage der fortbestehenden Behandlungsbedürftigkeit ist vom Tatrichter durch Einholung eines Sachverständigengutachtens zu klären.
c) Mehrere Behandlungen
Rz. 310
In diesem Zusammenhang kann die Frage auftreten, ob mehrere Behandlungen Teile eines einheitlichen Versicherungsfalls sind oder ob mehrere Versicherungsfälle vorliegen.
Rz. 311
Ein einheitlicher Versicherungsfall liegt vor, wenn verschiedene Behandlungen – auch durch verschiedene Ärzte oder nach Arztwechsel – sich auf ein und dasselbe Leiden beziehen, unabhängig davon, ob die Diagnose unverändert ist. Bei mehreren Behandlungsakten ist erforderlich, dass diesen ein einheitlicher Gesamtplan zugrunde liegt.
Rz. 312
Auch bei einer medizinisch bedingten Behandlungspause liegt ein Versicherungsfall vor. Der BGH führt hierzu aus:
Zitat
"Nimmt ein Versicherungsnehmer einen Arzt in Anspruch, um die verbliebenen Folgen eines bestehenden und dem Versicherer bekannten Leidens – hier durch eine neue Operationsmethode – beheben oder lindern zu lassen, so "beginnt" die Heilbehandlung jedenfalls mit der ersten ärztlichen Untersuchung, ohne Rücksicht darauf, ob der Arzt sofort die eigentliche Heilmaßnahme einleitet, oder ob er sich dazu erst nach weiterer Prüfung des Falls entschließt."
Entscheidend ist, ob den Behandlungsabschnitten ein Gesamtplan zugrunde liegt; medizinisch bedingte Behandlungspausen führen dann nicht zur Annahme mehrerer Versicherungsfälle.
Rz. 313
Das OLG Stuttgart vertrat die Auffassung, dass eine einige Jahre später aufgrund erneut auftretender Schmerzen durchgeführte Zahnbehandlung im selben Bereich einen neuen Versicherungsfall darstellen kann, wenn ein Versicherungsnehmer nach der Erstellung eines Heil- und Kostenplanes die dort vorgeschlagene Behandlung nicht durchführen lässt und stattdessen auf anderem Weg – hier durch die Extraktion eines Zahnes – die Funktionsfähigkeit des Gebisses mit aktueller Schmerz- und Beschwerdefreiheit wiederhergestellt hat.
Rz. 314
Bei schon bekannten Krankheiten, bei denen es Arzt und Patient darum geht, nach in sich abgeschlossener erster Behandlungsphase verbliebene Krankheitsfolgen zu beheben oder zu lindern, ist meist keine ärztliche Untersuchung zur Erkennung des Leidens mehr notwendig. Der BGH hat ausdrücklich h...