Rz. 188
Für die Krankenversicherung wurde als Spezialnorm zu § 4a Bundesdatenschutzgesetz (BDGS) als zwingendes Recht § 213 VVG neu geschaffen. Für Altverträge findet § 213 VVG wegen Art. 1 EGVVG erst seit dem 1.1.2009 Anwendung. Bei Neuverträgen, die nach dem 31.12.2007 zustande gekommen sind, gilt § 213 VVG bereits seit dem 1.1.2008.
Rz. 189
Im Rahmen einer viel beachteten Entscheidung des BVerfG wurde einem Versicherer verwehrt, sich mit Erfolg auf Leistungsfreiheit zu berufen, nur weil der Versicherungsnehmer ihm eine umfassende Schweigepflichtentbindungserklärung verweigert hatte. Dem Versicherungsnehmer müsse die Möglichkeit zum informationellen Selbstschutz geboten werden, sonst sei sein aus Art. 1 S. 2 GG hergeleitetes Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung nicht gewährleistet. Diese Möglichkeit soll aufgrund des neu eingeführten § 213 VVG gewährleistet werden.
Rz. 190
Gemäß § 213 Abs. 1 VVG können Versicherer zunächst weiterhin bei Antragstellung und auch bei der Prüfung eines Versicherungsfalles die üblichen umfassenden Erklärungen anfordern und sich geben lassen. Erforderlich ist es jedoch, dem Versicherten denkbare Alternativen freizustellen.
Danach gilt Folgendes: Grundsätzlich ist die Erhebung personenbezogener Gesundheitsdaten durch den Versicherern nur bei Ärzten, Krankenhäusern und sonstigen Krankenanstalten, Pflegeheimen und Pflegepersonen, anderen Personenversicherungen und gesetzlichen Krankenkassen sowie Berufsgenossenschaften und Behörden zulässig, soweit die Kenntnis der Daten für die Beurteilung des zu versichernden Risikos oder der Leistungspflicht erforderlich ist und die betroffene Person eine Einwilligung erteilt hat. Heilpraktiker sind in der enumerativen Aufzählung nicht genannt worden, so dass solche vom Heilpraktiker erteilte Daten, selbst wenn sie aufgrund einer Einwilligung im Einzelfall erhoben wurden, als nicht verwertbar angesehen werden sollten.
Rz. 191
Wenn die erforderliche Einwilligung vor Abgabe der Vertragserklärung im Zuge der Vertragsanbahnung erteilt worden ist, ist die betroffene Person gem. § 213 Abs. 2 S. 2 VVG vor einer Erhebung nach Abs. 1 zu unterrichten und kann der Erhebung widersprechen. Zudem kann die betroffene Person jederzeit verlangen, dass eine Erhebung von Daten nur erfolgt, wenn jeweils in die einzelne Erhebung eingewilligt worden ist. Auf all diese Rechte ist die betroffene Person hinzuweisen.
Rz. 192
Die Frage der Erforderlichkeit der Daten ergibt sich für den Bereich vor Vertragsschluss aus dem Umfang der vorvertraglichen Anzeigepflicht i.S.v. § 19 Abs. 1 VVG bzw. § 16 VVG a.F., daher nur in Bezug auf gefahrerhebliche Daten. Der Umfang der erforderlichen Daten im Bereich des Leistungsfalles bestimmt sich danach, ob die Daten i.S.v. § 31 VVG sachdienlich sein können, wobei auf die ex ante Sicht abzustellen sein wird.
Rz. 193
Soweit bislang streitig war, ob für Erhebungen des Versicherers eine hinreichend konkrete Verdachtslage erforderlich ist, damit er nicht Gesundheitsdaten ins Blaue hinein erheben darf, in der Hoffnung, Umstände zu finden, sich vom Vertrag wieder lösen zu können, hat der BGH inzwischen ausdrücklich klargestellt, dass er dieser Auffassung nicht folgt und folgende Grundsätze aufgestellt.
Danach zählen zu den zur Feststellung des Versicherungsfalles und des Umfanges der Leistung des Versicherers notwendigen Erhebungen i.S.d. § 14 Abs. 1 VVG auch solche, die klären sollen, ob der Versicherungsnehmer bei Vertragsschluss seine vorvertraglichen Anzeigeobliegenheiten i.S.v. § 19 Abs. 1 S. 1 VVG erfüllt hat. Denn auch die Frage der Vertragswirksamkeit werde vom § 14 VVG umfasst.
Insbesondere ist die den Versicherungsnehmer insoweit treffende Mitwirkungsobliegenheit auch nicht auf Fälle beschränkt, in denen bereits eine konkrete Verdachtslage für eine Anzeigeobliegenheitsverletzung besteht.
Allerdings ist bei der Auslegung des § 31 Abs. 1 VVG den sich entgegen stehenden Interessen – dem Interesse des Versicherungsnehmers auf informationelle Selbstbestimmung und dem Offenbarungsinteresse des Versicherers – nach dem Prinzip der praktischen Konkordanz Geltung zu verschaffen. Die kollidierenden Grundrechtspositionen der Vertragsparteien sind so zu begrenzen, dass sie für alle Beteiligten möglichst wirksam werden.
Rz. 194
Soweit der Umfang der Datenerhebung nicht von vornherein auf die Informationen beschränkt wird, die zur Prüfung des Leistungsfalles relevant sind, weil dem Versicherer noch unbekannt ist, worauf er sein Augenmerk zu richten hat, erstreckt sich die Obliegenheit des Versicherungsnehmers zunächst auf die Einholung solcher weniger weitreichender und persönlichkeitsrelevanter Vorabinformationen, die dem Versicherer eine Konkretisierung ermöglichen, welche Informationen im Weiteren tatsächlich für die Leistungsprüfung relevant sind.
Gegebenenfalls ist auf einer ersten Stufe der Erhebungen die Frage zu klären, wann in dem für die Anzeigeobliegenheit maßgeblichen Zeitraum ärztliche Behandlungen oder Untersuchungen stattg...