Rz. 680
Die Krankentagegeldversicherung endet mit dem Eintritt der Berufsunfähigkeit: Der Krankentagegeldversicherer trägt nur das Risiko einer vorübergehenden Arbeitsunfähigkeit und eines vorübergehenden Verdienstausfalls.
Rz. 681
Für den Beendigungsgrund der Berufsunfähigkeit ist nunmehr erstmals in § 15 Abs. 2 MB/KT ausdrücklich die Möglichkeit einer Anwartschaftsversicherung vorgesehen.
Rz. 682
Nach der Definition des § 15 Abs. 1 b MB/KT liegt Berufsunfähigkeit dann vor, wenn die versicherte Person
▪ |
nach medizinischem Befund |
▪ |
im bisher ausgeübten Beruf |
▪ |
auf nicht absehbare Zeit |
▪ |
mehr als 50 % erwerbsunfähig ist. |
Rz. 683
Die Merkmale der Berufsunfähigkeit im sozialversicherungsrechtlichen Sinne und im Bereich der privaten Krankenversicherung stimmen nicht überein. Berufsunfähigkeit im Sozialversicherungsrecht bezieht sich auf die generelle Erwerbsunfähigkeit in allen Arbeitsangelegenheiten, die sich dem Versicherten nach seiner Kenntnis und Fähigkeit im ganzen Bereich des wirtschaftlichen Lebens bieten.
Demgegenüber richtet sich die Berufsunfähigkeit im Versicherungsrecht allein nach dem bisher ausgeübten Beruf.
Auch im Versicherungsrecht wird der Begriff der Berufsunfähigkeit nicht einheitlich definiert: Es bestehen bedingungsgemäße Unterschiede zwischen Berufsunfähigkeit in der Krankentagegeldversicherung und derjenigen der Berufsunfähigkeitsversicherung (z.B. keine Verweisungsmöglichkeit, keine Fiktion der Berufsunfähigkeit, Erforderlichkeit von "mehr" als 50 %-iger Erwerbsunfähigkeit).
Rz. 684
Da die Beurteilung der Berufsunfähigkeit nach den Bedingungen an den bisher ausgeübten Beruf anknüpft, hat der Versicherungsnehmer seine berufliche Tätigkeit zur Schlüssigkeit seiner Klage darzulegen und notfalls zu beweisen, soweit der Versicherer Berufsunfähigkeit und damit die Beendigung der Krankentagegeldversicherung behauptet. Relevant ist hierbei der Beruf, wie er zuletzt zu gesunden Tagen, also unabhängig von seiner zur Arbeitsunfähigkeit führenden Erkrankung ausgeübt worden ist.
Dem Sachverständigen ist vom Gericht vorzugeben, welches Berufsbild er für seine Beurteilung der Frage, ob Berufsunfähigkeit des Versicherungsnehmers vorliegt, zugrunde zu legen hat. Das Vorliegen von Berufsunfähigkeit ist als Beendigungsgrund vom Versicherer zu beweisen.
Für die Beurteilung der Frage, ob Berufsunfähigkeit eingetreten ist, ist auf den vom Versicherer behaupteten Stichtag abzustellen. Lediglich dieser Zeitpunkt unterliegt der Beweiserhebung, worauf seitens des Versicherungsnehmers zur Vermeidung von Nachteilen zu achten ist. Die Beweiserhebung hat mithin nicht mit dem Ziel der Klärung zu erfolgen, ab wann Berufsunfähigkeit des Versicherungsnehmers vorliegt.
Rz. 685
Erforderlich ist eine Prognose, nach der der VN auf nicht absehbare Zeit mindestens 50 % erwerbsunfähig bleiben wird.
Dabei ist der Begriff "nicht absehbar" dahingehend zu verstehen, dass mit einer Wiedererlangung der Erwerbsfähigkeit nicht gerechnet werden muss. Es muss sich um einen nicht nur vorübergehenden Zustand handeln, der jedoch keineswegs endgültig sein muss. Erforderlich ist, dass nach allen Erfahrungen trotz Einsatzes aller medizinischer Mittel mit einem Wiederbeginn der Erwerbsfähigkeit entweder überhaupt nicht zu rechnen ist oder die Heilungschancen so schlecht sind, dass ungewiss bleibt, ob der Versicherte jemals wieder erwerbsfähig sein wird.
Der Zeitraum für die medizinische Prognose wurde früher in der Instanzrechtsprechung teilweise mit drei Jahren angesetzt. Diese Handhabung hat der BGH abgelehnt: Bei der Berufsunfähigkeit geht es um einen Zustand, dessen Fortbestand aus sachverständiger Sicht für nicht absehbare Zeit prognostiziert wird, der jedoch typischerweise nicht auch als endgültig oder unveränderlich beurteilt werden kann. Insbesondere lässt sich den Tarifbedingungen kein bestimmter Zeitraum, für den die Prognose zu stellen ist, im Sinne einer festen zeitlichen Grenze für die Beurteilung einer Erwerbsunfähigkeit auf nicht absehbare Zeit entnehmen. Sodann formuliert der BGH wie folgt:
Zitat
"Die Prognose ist – gegebenenfalls rückschauend – für den Zeitpunkt zu stellen, für den der Versicherer das Ende seiner Leistungspflicht behauptet."
Ausdrücklich muss die Prognoseentscheidung aus der ex ante-Sicht in Bezug auf den behaupteten Stichtag erfolgen.
Rz. 686
Der BGH hat zudem klargestellt, dass das Merkmal "nach medizinischem Befund" auch den Maßstab vorgibt, nach dem eine bedingungsgemäße Berufsunfähigkeit beurteilt werden soll, d.h. objektiv durch Einholung eines gerichtlichen Sachverständigengutachtens unter Beiziehung aller verfügbaren medizinischen Unterlagen.
Der weitere Krankheitsverlauf, wie er sich für die Zeit nach dem behaupteten Ende der Leistungspflicht des Versicherers ergibt, hat grundsätzlich keine Berücksichtigung zu finden, da es dem Wesen einer – rückschauend auf ihre Richtigkeit überprüften – Prognoseentscheidung widerspräche, die Entwicklung nach dem behaupteten Stichtag und damit einen späteren Erkennt...