1. Wechselrecht in der normalen Tariflandschaft der PKV
Rz. 145
§ 204 Abs. 1 Nr. 1 VVG räumt dem Versicherungsnehmer ein Wechselrecht in gleichartige Tarife desselben Versicherers ein, um Prämiensteigerungen in für den Neuzugang geschlossenen Tarifen entgehen zu können. Grundsätzlich gilt das Wechselrecht nur für unbefristete Versicherungsverhältnisse.
Rz. 146
Der Umwandlungsanspruch ist auf Tarife mit "gleichartigem" Versicherungsschutz beschränkt. Gemäß § 12 Kalkulationsverordnung (KalV) sind solche Tarife als gleichartig anzusehen, die gleiche Leistungsbereiche wie der bisherige Tarif umfassen und für die der Versicherte versicherungsfähig ist. Die jeweiligen Leistungsbereiche sind zuzuordnen und zu vergleichen. Ob einzelne Leistungspositionen unterschiedlich sind, ist unerheblich, da andernfalls der Versicherer das Wechselrecht durch geringfügige Modifikationen des Leistungsversprechens im neuen Tarif letztendlich aushüllen könnte.
Demzufolge besteht grundsätzlich auch ein Wechselanspruch von einem Tarif für Zahnbehandlungen ohne Zahnstaffel in einen solchen mit einem begrenzten Erstattungsumfang im ersten Jahr dem Grunde nach.
Rz. 147
Selbst wenn ein gleichartiger Versicherungsschutz besteht, unterliegen die einzelnen Tarife zumeist unterschiedlichen Leistungen. Soweit die Leistungen in dem Tarif, in den der Versicherungsnehmer wechseln will (sogenannter Zieltarif) höher oder umfassender sind, als in dem bisherigen Tarif (sogenannter Herkunftstarif), kann der Versicherer nach § 204 Abs. 1 Nr. 1 VVG für die Mehrleistung einen Leistungsausschluss oder einen angemessenen Risikozuschlag und insoweit auch eine Wartezeit verlangen. Allerdings kann der Versicherungsnehmer diese Vereinbarung eines Risikozuschlags und einer Wartezeit dadurch abwenden, dass er hinsichtlich der Mehrleistung einen Leistungsausschluss vereinbart.
Rz. 148
Soweit dem Versicherer beim Tarifwechsel das Recht zusteht, für die Mehrleistung im Zieltarif einen angemessenen Risikozuschlag zu verlangen, darf er nur für diese Mehrleistung auch eine erneute Gesundheitsprüfung durchführen.
Da der Tarifwechsel keinen Abschluss eines neuen Versicherungsvertrags darstellt, sondern der bisherige Krankenversicherungsvertrag unter Wechsel des Tarifs fortgesetzt wird, ist bei der Berechnung eines angemessenen Risikozuschlags Folgendes zu berücksichtigen, wie der BGH ausdrücklich hervorgehoben hat:
Zu den im Vertrag erworbenen Rechten zählt auch die Bewertung des Gesundheitszustands, wie sie der Versicherer bei Abschluss des Vertrags im Herkunftstarif vorgenommen hat. Aus dieser Bewertung erlangt der Versicherungsnehmer eine Position, die zu den "aus dem Vertrag erworbenen Rechten" gehört. Im weiteren Verlauf der Versicherung darf der Versicherer von dieser Einstufung nicht zu Ungunsten des Versicherten abweichen, und zwar auch dann nicht, wenn im Lichte späterer Erkenntnisse, etwa aufgrund des weiteren Krankheitsverlaufs oder neuerer Ergebnisse der medizinischen Forschung, die damalige Einstufung zu günstig war.
Bezüglich der Mehrleistung im Zieltarif hat der Vertrag den Charakter einer Zusatzversicherung. Daher kann der Versicherer hinsichtlich der Mehrleistung und für die Berechnung des angemessenen Risikozuschlags auch nur insoweit eine Gesundheitsprüfung vornehmen.
Rz. 149
Eine Mehrleistung kann auch darin gesehen werden, dass ein im Herkunftstarif zunächst vereinbarter höherer Selbstbehalt im Zieltarif beibehalten wird. Handelt es sich allerdings um einen behandlungsbezogenen Selbstbehalt, kann der Versicherer gem. § 204 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 Hs. 2 VVG einen Leistungsausschluss nur verlangen, soweit der behandlungsbezogene Selbstbehalt den absoluten Selbstbehalt nicht ausschöpft.
Soweit dem Versicherer im Falle eines Tarifwechsels des Versicherungsnehmers das Recht zusteht, für eine Mehrleistung im Zieltarif einen Leistungsausschluss zu verlangen, ist hierfür nicht erforderlich, dass ein erhöhtes Risiko auf Seiten des Versicherungsnehmers vorliegt.
Beim Wechsel von einem Tarif mit Pauschalbeträgen, in die das durch Vorerkrankungen des Versicherungsnehmers bedingte Risikozuschlags einkalkuliert war, in einen Tarif mit Grundprämie für ein Basisrisiko und Risikozuschlägen, ist der Versicherer grundsätzlich berechtigt, einen individuellen Risikozuschlag zu erheben.
Rz. 150
Der Wechsel ist bei Vorliegen der Voraussetzungen gem. § 204 Abs. 1 VVG unter Anrechnung der erworbenen Rechte und der Alterungsrückstellungen durchzuführen und stellt keinen neuen Versicherungsvertrag dar, sondern die Fortsetzung des bisherigen Vertrages nach Maßgabe des neuen Tarifes. Die Einzelheiten zur Anrechnung der Alterungsrückstellung sind in § 13 KalV festgelegt.
Gegenüber der Regelung in § 204 VVG 2008 sind nunmehr in § 204 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 VVG zusätzlich Regelungen für den Wechsel aus und in den Basistarif eingefügt worden.
Rz. 151
Bei einem beabsichtigten Wechsel der Krankenversicherung muss ein Versicherungsmakler ausdrücklich davon abraten, die bestehende Krankheitskostenversicherung zu kündigen, bevor gewährl...