Rz. 20
§ 2049 BGB schreibt im Gegensatz zu § 2312 Abs. 3 BGB nach seinem Wortlaut nicht vor, dass der übernehmende Erbe zum Kreis der pflichtteilsberechtigten Personen nach § 2303 BGB gehören muss. Dennoch ist eine Anwendung auf andere Übernehmer abzulehnen. Bereits in der Kommentierung von Planck wird darauf hingewiesen, dass die Übernahme eines Landguts ausnahmsweise eine Ungleichbehandlung der Abkömmlinge rechtfertigen kann. Eine Benachteiligung der engsten, pflichtteilsberechtigten Familienangehörigen des Erblassers gegenüber außenstehenden Dritten, ist hingegen nicht zu rechtfertigen, denn die Vorschrift des § 2049 BGB will zugleich sichern, dass das Landgut in der Familie bleiben soll und hierfür Erleichterungen gewährleisten. Demnach ist die Vererbung zu Vorzugsbedingungen nur anzunehmen, wenn der Übernehmer ein Abkömmling, auch Enkel oder Urenkel, Elternteil oder der Ehegatte des Erblassers ist.
Rz. 21
Diskutiert wird bei unverheirateten, kinderlosen Erblassern, ob eine Vorzugsvererbung an Nichten und Neffen erfolgen kann. Die wohl herrschende Meinung lehnt das hingegen ab. Eine derartige Ausnahmevorschrift kann nur auf einen besonders begrenzten Personenkreis erstreckt werden. Dafür spricht die einheitliche Betrachtung der Vorschrift mit § 2312 BGB. Gegen diese Auffassung könnte hingegen die Entstehungsgeschichte der Vorschrift sprechen. § 2049 BGB wurde von der 2. Kommission in der Revisionslesung in das Gesetz aufgenommen, ebenso wie § 2312 Abs. 1 S. 1 BGB. § 2312 Abs. 3 BGB, der die Beschränkung auf Personen nach § 2303 BGB enthält, wurde erst durch den Bundesrat eingefügt. Ziel beider Vorschriften war die Erhaltung und Kräftigung des ländlichen Grundbesitzerstandes. Eine Einschränkung der im Gesetz angedachten Gleichbehandlung der Abkömmlinge und im Einzelfall eine erhebliche Beeinträchtigung einzelner Abkömmlinge schien für diesen Zweck hinnehmbar.
Rz. 22
Greift man auf diesen Ausgangspunkt zurück, lässt sich bei Fehlen eines pflichtteilsberechtigten Übernehmers eine Einschränkung von Wertausgleichsansprüchen innerhalb der Erbengemeinschaft zugunsten der Allgemeinheit durchaus rechtfertigen. Der Pflichtteilsanspruch soll eine Mindestteilhabe der nahen Verwandten am Erblasservermögen sicherstellen. Der Erbanspruch, der zu einer Auseinandersetzung der Erbengemeinschaft führt, ist ein darüber hinausgehender Anspruch. Er ist nicht in gleicher Weise wie der Pflichtteilsanspruch gesetzlich geschützt, sondern unterliegt bis an die Grenzen der Pflichtteilsansprüche der Disposition des Erblassers. Zwar kann das im Einzelfall zur Folge haben, dass die besondere Bewertung bei der Auseinandersetzung der Erbengemeinschaft zu einem Ergebnis führt, dass einen pflichtteilsberechtigten Abkömmling schlechter stellt, als er im Falle der Berechnung des Pflichtteilsanspruches ohne Privilegierung stehen würde. Ein solches – in der Tat unerwünschtes – Ergebnis, lässt sich jedoch ohne weiteres korrigieren, indem dem betroffenen Miterben über § 2305 BGB im Rahmen einer Korrekturberechnung ohne Privilegierung des Landgutes, die Differenz als Zusatzpflichtteil gezahlt werden muss. Damit wären beide Vorschriften ihrem Wortlaut entsprechend anwendbar. Im Ergebnis wäre der vom Gesetzgeber beabsichtigte Schutz des landwirtschaftlichen Betriebes durch die Möglichkeit der Übergabe an einen geeigneten Nachfolger auch außerhalb des Personenkreises nach § 2303 BGB möglich und damit kann eine sehr viel effektivere Umsetzung des Schutzgedankens der Vorschriften, auch unter Berücksichtigung der heute veränderten Lebenswirklichkeit, in der Abkömmlinge nicht immer vorhersehbar und zwangsläufig auf dem landwirtschaftlichen Betrieb bleiben, erfolgen. Es könnte dabei ein gesetzliches Vorausvermächtnis vorliegen. Problematisch ist die Einzelfallgerechtigkeit nur dann, wenn keine dauerhafte Fortführung durch den Übernehmer erfolgt.
Rz. 23
Hat der Erblasser das Landgut mehreren Miterben zugewandt, wird der vom Gesetz verfolgte Zweck, es durch einen Übernehmer fortführen zu lassen und eine Zersplitterung auszuschließen, nicht erreicht, sodass die Privilegierung bei der Bewertung entfällt. Gleiches gilt, wenn ein Erbe lediglich den Bruchteil des Eigentums an einem Landgut übernimmt. Zum Teil wird die Übergabe an Ehegatten für möglich gehalten. Einen Anknüpfungspunkt hierfür bietet die gesetzliche Formulierung (Einzahl) nicht. Betrachtet man auch insoweit die Lebenswirklichkeit und die Unsicherheit des Bestandes einer Ehe, scheint die Übergabe an zwei Ehegatten verfehlt, berücksichtigt man den Schutzzweck der Norm.