Rz. 64

Bereits zum 1.1.2013[41] hat der Gesetzgeber einen ersten "Versuchsballon" in Richtung "elektronischer ZV" durch Einführung eines neuen § 829a ZPO gestartet, der zwischenzeitlich mehrfach überarbeitet wurde:

 

Rz. 65

Zitat

§ 829a Vereinfachter Vollstreckungsantrag bei Vollstreckungsbescheiden

"(1) Im Fall eines elektronischen Antrags zur Zwangsvollstreckung aus einem Vollstreckungsbescheid, der einer Vollstreckungsklausel nicht bedarf, ist bei Pfändung und Überweisung einer Geldforderung (§§ 829, 835) die Übermittlung der Ausfertigung des Vollstreckungsbescheides entbehrlich, wenn"

1. die sich aus dem Vollstreckungsbescheid ergebende fällige Geldforderung einschließlich titulierter Nebenforderungen und Kosten nicht mehr als 5.000 EUR beträgt; Kosten der Zwangsvollstreckung sind bei der Berechnung der Forderungshöhe nur zu berücksichtigen, wenn sie allein Gegenstand des Vollstreckungsantrags sind;
2. die Vorlage anderer Urkunden als der Ausfertigung des Vollstreckungsbescheides nicht vorgeschrieben ist;
3. der Gläubiger eine Abschrift des Vollstreckungsbescheides nebst Zustellungsbescheinigung als elektronisches Dokument dem Antrag beifügt und
4. der Gläubiger versichert, dass ihm eine Ausfertigung des Vollstreckungsbescheides und eine Zustellungsbescheinigung vorliegen und die Forderung in Höhe des Vollstreckungsantrags noch besteht.

Sollen Kosten der Zwangsvollstreckung vollstreckt werden, sind zusätzlich zu den in Satz 1 Nr. 3 genannten Dokumenten eine nachprüfbare Aufstellung der Kosten und entsprechende Belege als elektronisches Dokument dem Antrag beizufügen.

(2) Hat das Gericht an dem Vorliegen einer Ausfertigung des Vollstreckungsbescheides oder der übrigen Vollstreckungsvoraussetzungen Zweifel, teilt es dies dem Gläubiger mit und führt die Zwangsvollstreckung erst durch, nachdem der Gläubiger die Ausfertigung des Vollstreckungsbescheides übermittelt oder die übrigen Vollstreckungsvoraussetzungen nachgewiesen hat.“

 

Rz. 66

Zum 26.11.2016 wurde in § 829a Abs. 1 S. 1 Nr. 1 ZPO konkretisiert, dass bei der Berechnung der Obergrenze von 5.000,00 EUR titulierte Nebenforderungen (wie z.B. Zinsen) und Kosten einzubeziehen sind.[42] Der Gesetzgeber wollte bei der Berechnung der Wertgrenze ausdrücklich nicht, dass die Berechnung entsprechend § 4 ZPO analog erfolgt und sah sich gehalten, aufgrund der strittigen Rechtsprechung für eine Klarstellung zu sorgen.[43] Somit müssen die titulierten fortlaufenden Zinsen ausgerechnet und bei der Ermittlung der Wertobergrenze berücksichtigt werden. Als nachteilig kann sich in diesem Zusammenhang erweisen, die bisherigen Vollstreckungskosten gem. § 788 ZPO festsetzen zu lassen. Sind die Vollstreckungskosten nicht tituliert, finden sie bei der Berechnung der Obergrenze keine Berücksichtigung; sind sie tituliert, müssen sie berücksichtigt werden. Das kann im Einzelfall dazu führen, dass eine elektronische Antragstellung nicht (mehr) möglich ist bzw. nur ein entsprechender Teilauftrag erfolgen kann. Hierauf ist ggf. zu ­achten.

 

Rz. 67

Fazit:

Bei einem Antrag auf Erlass eines Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses an das Vollstreckungsgericht reicht die Vorlage des Titels als Scan aus, wenn folgende Voraussetzungen erfolgt sind:

Forderung einschließlich Nebenforderung und Kosten max. EUR 5.000,00
Keine weiteren Urkunden außer Vollstreckungsbescheid erforderlich
Vollstreckungsbescheid wird als Scan beigefügt
Versicherung des Gläubigers, dass die Ausfertigung und Zustellbescheinigung des VB vorliegen und die Forderung in Höhe des Vollstreckungsantrags noch besteht
 

Rz. 68

 

Praxishinweis

Da § 829a ZPO nur von zu pfändenden Geldforderungen spricht, verweigern Vollstreckungsgerichte zunehmend den Erlass eines PfÜB, wenn weitere Ansprüche gepfändet werden, wie z.B. die Erteilung von Lohnabrechnungen gegenüber dem Drittschuldner oder die Pfändung anderer Vermögensrechte i.S.d. § 857 ZPO, wie z.B. der unter Nr. 5 Anspruch D aufgeführte Anspruch auf Zutritt zu einem Bankschließfach oder z.B. das Kündigungs- und Widerrufsrecht bei Anspruch E (Versicherungsgesellschaft). Es bleibt abzuwarten, wie sich dies weiterentwickelt.

Lösung: Der Antrag wird zwar elektronisch gestellt, aber auch in solchen Fällen der Titel dann gleichwohl im Original nachgereicht.

[41] Art. 1 Gesetz zur Reform der Sachaufklärung in der Zwangsvollstreckung v. 29.7.2009, BGBl I, 2258.
[42] G. v. 21.11.2016, BGBl I, 2591 (Nr. 55), Art. 1 Nr. 12 in Kraft getreten zum 26.11.2016 gem. Art. 21 Abs. 3 S. 1.
[43] BT-Drucks 18/7560, 39 v. 17.2.2016 i.V.m. den Ausführungen auf S. 36 zu § 755 ZPO (zu Buchst. b); wobei die geplanten Änderungen in § 755 ZPO und § 802l ZPO (ebenfalls Klarstellung der Wertgrenze dort von 500 EUR) nicht verabschiedet wurden, da die in diesen beiden letztgenannten Bestimmungen enthaltene Wertgrenze im Laufe des Gesetzgebungsverfahrens gänzlich gefallen ist.

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