Sabine Jungbauer, Dipl.-Ing. Werner Jungbauer
1. Gesetzliche Vorgaben – Gerichtsvollziehervollstreckung
Rz. 38
§ 753 Abs. 4 und 5 ZPO regeln die Möglichkeit sowie die Pflicht zur Einreichung elektronischer Dokumente bei der Gerichtsvollziehervollstreckung:
Zitat
(4) 1Schriftlich einzureichende Anträge und Erklärungen der Parteien sowie schriftlich einzureichende Auskünfte, Aussagen, Gutachten, Übersetzungen und Erklärungen Dritter können als elektronisches Dokument beim Gerichtsvollzieher eingereicht werden. 2Für das elektronische Dokument gelten § 130a, auf dieser Grundlage erlassene Rechtsverordnungen sowie § 298 entsprechend. 3Die Bundesregierung kann in der Rechtsverordnung nach § 130a Absatz 2 Satz 2 besondere technische Rahmenbedingungen für die Übermittlung und Bearbeitung elektronischer Dokumente in Zwangsvollstreckungsverfahren durch Gerichtsvollzieher bestimmen.
(5) § 130d gilt entsprechend.
Rz. 39
Die ERVV, deren Ermächtigungsgrundlage § 130a Abs. 2 ZPO darstellt, gilt nach § 753 Abs. 4 S. 2 ZPO unmittelbar auch für Vollstreckungsaufträge; ebenso die 2. ERVB 2022, soweit nicht vom Gesetzgeber Formulare vorgegeben sind. Denn gem. § 1 Abs. 2 ERVV gehen besondere bundesrechtliche Vorschriften über die Übermittlung elektronischer Dokumente und strukturierter maschinenlesbarer Datensätze der ERVV vor, soweit sie Vorschriften enthalten, die von der ERVV abweichen; dies betrifft insbesondere die in der ZV verwendeten Formulare nach § 4 Abs. 1 S. 2 GVFV sowie § 4 Abs. 2 ZVFV, aber auch das Einlieferungsverfahren in das Schuldnerverzeichnis und Vermögensverzeichnisregister beim Zentralen Vollstreckungsgericht.
Rz. 40
Zu unterscheiden sind bei der Frage der Anwendbarkeit der ERVV/ERVB natürlich auch
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Vollstreckungsaufträge, für die die GVFV gilt, von solchen, |
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für die die GVFV nicht gilt. |
Rz. 41
Die GVFV gilt z.B. nicht:
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bei reinen Zustellungsaufträgen (Modul D kann, nicht muss verwendet werden), § 1 Abs. 2 S. 1 GVFV, |
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bei öffentlich-rechtlicher ZV, § 1 Abs. 2 S. 2 GVFV, |
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bei Herausgabevollstreckung (das bisherige Modul O kann, muss aber nicht verwendet werden), siehe Überschrift auf dem ZVA (…. "wegen Geldforderungen"). |
Rz. 42
§ 130d ZPO lautet wie folgt:
Zitat
§ 130d Nutzungspflicht für Rechtsanwälte und Behörden
"Vorbereitende Schriftsätze und deren Anlagen sowie schriftlich einzureichende Anträge und Erklärungen, die durch einen Rechtsanwalt, durch eine Behörde oder durch eine juristische Person des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihr zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse eingereicht werden, sind als elektronisches Dokument zu übermitteln. Ist dies aus technischen Gründen vorübergehend nicht möglich, bleibt die Übermittlung nach den allgemeinen Vorschriften zulässig. Die vorübergehende Unmöglichkeit ist bei der Ersatzeinreichung oder unverzüglich danach glaubhaft zu machen; auf Anforderung ist ein elektronisches Dokument nachzureichen."
Rz. 43
§ 130d ZPO regelt damit die Pflicht zur elektronischen Einreichung seit dem 1.1.2022 und ist über § 753 Abs. 5 ZPO, der ebenfalls zum 1.1.2022 in Kraft getreten ist, auch für die ZV anwendbar. Der Gesetzgeber wollte ausdrücklich, dass bei Einführung der elektronischen Einreichpflicht bei Gericht diese Pflicht auch bei Aufträgen an Gerichtsvollzieher besteht.
2. Gesetzliche Vorgaben – Vollstreckungsgericht u.a.
Rz. 44
M. E. ergibt sich aus dem oben dargestellten § 130d ZPO, der zum 1.1.2022 in Kraft getreten ist, eine unmittelbare Verpflichtung zur elektronischen Antragstellung aller Anträge, die an Gerichte, und damit sowohl an Vollstreckungsgerichte oder auch das Prozessgericht 1. Instanz gerichtet sind. Im Übrigen gilt dies auch für Insolvenzgerichte, siehe dazu auch § 4 InsO mit Verweis auf die ZPO.
3. Was sind "schriftlich einzureichende Anträge"?
a) Einführung
Rz. 45
Nach diesseitiger Auffassung bedeutet die Formulierung in § 130d ZPO "schriftlich einzureichende Anträge", dass die elektronische Einreichpflicht nur für solche Anträge/Aufträge gelten kann, die unterschrieben (Schriftform) bei Gericht eingereicht werden müssen. Es ist also bei dieser Formulierung "schriftlich einzureichende Anträge" nicht einfach auf Anträge, die in Papierform, z.B. über Formular, einzureichen waren, abzustellen. Vielmehr: Papierform plus Unterschrift! Auch an anderen Stellen in der ZPO bedeutet "schriftlich" im Original unterschrieben, d.h. Schriftform, so z.B. die "schriftliche Vollmacht" nach § 80 ZPO, ebenso wie die "schriftliche Bürgschaft" nach § 108 ZPO. Wieso sollte also "schriftlich" ausgerechnet in § 130d ZPO nicht "Schriftform" bedeuten?
Rz. 46
Bedauerlicherweise hat der Gesetzgeber hier jedoch u.E. keine ausreichend klare Regelung getroffen, zumal ihm bekannt sein musste, dass bereits seit Jahren zu der Frage, ob ZVA-Aufträ...