Dr. Fabian Friz, Dr. Konrad Grünwald
a) Grundsatz
Rz. 127
Anteile an Kapitalgesellschaften sind vererblich. Diese Vererblichkeit ist zwingend und kann nicht durch Satzungsbestimmungen eingeschränkt werden. Der Anteil an einer GmbH fällt, solange er nicht geteilt wird (durch Beschluss der Gesellschafter, § 46 Nr. 4 GmbHG, oder – vorzugswürdig – aufgrund einer Satzungsregelung) der Erbengemeinschaft an. Vor der Teilung können die Miterben die Rechte aus dem Anteil nur gemeinschaftlich ausüben (§ 18 Abs. 1 GmbHG; zur Bestellung eines gemeinsamen Vertreters vgl. § 18 Abs. 3 GmbHG).
Rz. 128
Aus der zwingenden Vererblichkeit von Kapitalgesellschaftsanteilen ergibt sich für personalistisch strukturierte Gesellschaften, dass eine unmittelbare Steuerung der Gesellschafternachfolge von Todes wegen in der Satzung nicht möglich ist. Sofern die Gesellschafter jedoch auf eine derartige Steuerung Wert legen, muss diese Steuerung an den durch die Erbfolge entstandenen Sachverhalt anknüpfen und eine Zwangsabtretung oder -einziehung des übergangenen Geschäftsanteils vorsehen (vgl. dazu Rdn 141 ff.).
b) Rechtsnachfolge im Gründungsstadium
aa) Vorgründungsstadium
Rz. 129
Bis zur Beurkundung der Satzung handelt es sich um eine Vorgründungsgesellschaft, die gemeinhin als GbR, ggf. (§ 123 Abs. 2 HGB, ab 2024 § 123 Abs. 1 Satz 2 HGB n.F.) als OHG zu qualifizieren ist. Die Rechtsnachfolge in Anteile an einer Vorgründungsgesellschaft, die häufig nicht über einen ausformulierten Gesellschaftsvertrag verfügen wird, richtet sich regelmäßig nach den einschlägigen Regelungen (GbR: Auflösung der GbR beim Tod eines Gesellschafters, § 727 BGB bzw. ab 2024 Ausscheiden des verstorbenen Gesellschafters, § 723 BGB n.F.; Vererblichkeit des Anteils an der aufgelösten GbR; OHG: § 131 Abs. 3 Nr. 1 HGB, ab 2024 § 130 Abs. 1 Nr. 1 HGB n.F. Fortsetzung der Gesellschaft unter den verbleibenden Gesellschaftern, Abfindungsanspruch). Die einkommensteuerliche und erbschaftsteuerliche Behandlung der Rechtsnachfolge knüpft an diese zivilrechtliche Qualifikation der Rechtsnachfolge an.
bb) Vorgesellschaft
Rz. 130
Ab dem Zeitpunkt der Beurkundung der Satzung liegt eine Vorgesellschaft vor, die zivilrechtlich als werdende Kapitalgesellschaft im Wesentlichen dem Statut der eingetragenen Gesellschaft unterstellt wird und sich identitätswahrend in die eingetragene Kapitalgesellschaft wandelt.
Handelt es sich um eine echte Vorgesellschaft, die letztlich tatsächlich eingetragen wird, dürfte sich die Rechtsnachfolge unzweifelhaft nach den für die eingetragene Kapitalgesellschaft geltenden Regeln richten (§ 15 Abs. 1 GmbHG; §§ 1922, 1942 BGB). Unklar ist gleichwohl, wie die echte Vorgesellschaft zu verstehen ist. Das Ertragsteuerrecht folgt dem traditionellen gesellschaftsrechtlichen Verständnis, das die Vorgesellschaft als eine Gesamthandsgesellschaft qualifiziert, auf die Kapitalgesellschaftsrecht anzuwenden ist, soweit dies nicht die Eintragung der Gesellschaft voraussetzt. Eine im Vordringen befindliche gesellschaftsrechtliche Auffassung behandelt dagegen die Vorgesellschaft als werdende juristische Person, als Rechtsgebilde eigener Art, das mit der späteren juristischen Person identisch ist.
Rz. 131
Schwierigkeiten bereitet indessen die sog. unechte Vorgesellschaft, bei der die Eintragung letztlich scheitert, die aber nicht umgehend nach der Aufgabe der Eintragungsabsicht liquidiert wird; die unechte Vorgesellschaft wird allgemein als Personengesellschaft qualifiziert. Der Wandel der echten zur unechten Vorgesellschaft ist für die traditionelle Auffassung unproblematisch, während die im Vordringen befindliche Auffassung einen Formwechsel "kraft Rechtsformverfehlung" oder eine Liquidation der echten Vorgesellschaft annehmen muss.
Rz. 132
Für die Rechtsnachfolge sind folgende Konstellationen zu unterscheiden:
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Rechtsnachfolge in Anteile an einer echten Vorgesellschaft mit nachfolgender Eintragung, |
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Rechtsnachfolge in Anteile an einer echten Vorgesellschaft und nachfolgende Wandlung zur unechten Vorgesellschaft, |
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Rechtsnachfolge in Anteile an einer unechten Vorgesellschaft. |
Problematisch ist die zweite Konstellation. In der ersten Konstellation ist Erwerbs- und Bewertungsgegenstand seitens des Nachfolgers je nach zivilrechtlichem Vorverständnis ein Anteil an einer Kapitalgesellschaft oder einer Personengesellschaft, in der dritten Konstellation an einer Personengesellschaft. Aus dieser Qualifikation folgen die entsprechenden Konsequenzen für die erbschaftsteuerliche Verschonung. Folgt man in der zweiten Konstellation der im Vordringen befindlichen Auffassung, kommt man um die – möglicherweise begünstigungsschädliche – Annahme eines Formwechsels oder einer Liquidation der Vorgesellschaft nicht herum; folgt man dagegen der traditionellen Auffassung, wäre der Wandel von der echten zur unechten Vorgesellschaft begünstigungsunschädlich.