Dr. Fabian Friz, Dr. Konrad Grünwald
1. Zivilrecht
Rz. 166
Der Begriff der vorweggenommenen Erbfolge ist legal nicht definiert. Die Rspr. des BGH versteht darunter die Übertragung von Vermögen oder eines wesentlichen Teiles davon durch den (künftigen) Erblasser auf einen oder mehrere als (künftige) Erben in Aussicht genommene Empfänger. Allerdings ist das Recht der vorweggenommenen Erbfolge nicht in einer dem Erbrecht vergleichbaren Art und Weise ausgeformt. Die Gestaltung einer vorweggenommenen Erbfolge muss sich deshalb allgemeiner Rechtsinstitute bedienen, die das Recht für Vermögenstransfers unter Lebenden bereitstellt. Dabei weist das verfügbare Instrumentarium durchaus Lücken auf: So gibt es etwa – was insb. bei einer Vermögensübertragung auf Minderjährige ins Auge fällt – keine der Testamentsvollstreckung oder der Vor- und Nacherbfolge vergleichbaren Institute, sodass die mit diesen Instituten erreichbaren Effekte auf andere Weise substituiert werden müssen.
Rz. 167
Eine vorweggenommene Erbfolge kann unter einer Vielzahl von Gesichtspunkten zweckmäßig sein. Auf zivilrechtlichem Gebiet sei insb. die Problematik der Nachlassspaltung erwähnt, die bei Auslandvermögen dazu führen kann, dass für die Rechtsnachfolge in den Nachlass das Erbrecht unterschiedlicher Länder maßgebend ist, was nicht selten zu einer erheblichen Komplizierung der Nachfolgegestaltung und der Nachlassabwicklung führt.
Hinweis
Um eine derartige Entwicklung zu vermeiden, ist nicht zuletzt eine lebzeitige Übertragung des Auslandsvermögens ein probates Mittel.
Erhebliche Vorteile kann eine vorweggenommene Erbfolge jedoch auch auf steuerlichem Gebiet generieren. Die vorweggenommene Erbfolge führt bei ertragbringendem Vermögen zu einem Transfer der Einkunftsquelle auf den Nachfolger mit den Wirkungen eines Einkommens- oder Familiensplittings, das zum einen laufende Progressionsvorteile generieren kann, v.a. aber zur Folge hat, dass die beim Nachfolger anfallenden Vermögenserträge nicht der Erbschaftsteuer unterliegen. Ein weiterer nicht zu unterschätzender Vorteil ist die Möglichkeit, die Vermögensnachfolge und ihre Liquiditätswirkungen als kontrollier- und steuerbaren Prozess zu strukturieren und damit die Zufälligkeiten, die die Besteuerung eines Erbanfalls nicht selten prägen, zu eliminieren.
Hinweis
Besonderes Augenmerk kann dabei darauf gerichtet werden, die durch die Vermögensübertragung bewirkten steuerlichen Effekte zu minimieren, indem auf einen ertragsteuerneutralen Vermögenstransfer hingearbeitet wird, erbschaft-/schenkungsteuerliche Freibeträge mehrfach genutzt werden und bei einem zeitlich gestreckten Nachfolgeprozess auch insoweit Progressionsvorteile angestrebt werden, und allgemein steuergünstige Gestaltungen konzipiert werden.
Rz. 168
Im vorliegenden Zusammenhang geht es um die Rechtsnachfolge in Gesellschaftsbeteiligungen. Dieser Kontext legt den Hinweis nahe, dass Gesellschaftsbeteiligungen selbst nicht nur Objekt, sondern auch Instrument einer vorweggenommenen Erbfolge sein können. In einer Vielzahl von Fällen ergeben sich besondere Gestaltungsmöglichkeiten im Bereich der vorweggenommenen Erbfolge dann, wenn das zu übertragende Vermögen nicht unmittelbar, sondern durch Beteiligungen an einer Familiengesellschaft (Familienpool) gehalten wird. Für die Ausgestaltung derartiger Poollösungen gibt es einen weiten Gestaltungsspielraum. Mit einer derartigen Gestaltung sind bspw. folgende Effekte erreichbar:
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Das Vermögen wird im Zuge der Rechtsnachfolge nicht auf verschiedene Nachfolger aufgeteilt, sondern bleibt als Vermögensmasse in der Gesellschaft eingebunden. Eine Vermögenszersplitterung wird vermieden. |
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Die Individualisierung der Vermögensnutzung kann auf die entnahmefähigen Beträge beschränkt werden. |
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Die Gefahr der Vermögensabwanderung in fremde Familien kann durch gesellschaftsvertragliche Nachfolgeregelungen (qualifizierte Nachfolgeklauseln) vermieden werden. |
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Eine Nachlassspaltung kann möglicherweise dadurch vermieden werden, dass Auslandsvermögen in einer Gesellschaft gehalten wird. |
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Für die Beteiligung Minderjähriger an dem Vermögen eignet sich eine derartige Gestaltung in besonderer Weise, weil damit über die Volljährigkeitsgrenze hinaus sichergestellt werden kann, dass das übertragene Vermögen nicht bestimmungswidrig verwendet wird. |
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Der allgemein mit einer vorweggenommenen Erbfolge verbundene und häufig als Nachteil empfundene Verlust der Dispositionsbefugnis über das übertragene Vermögen kann durch geeignete Gestaltungen zumindest gemildert werden. So kann dem Übertragenden eine besondere Stellung im Hinblick auf die Geschäftsführung und die Entnahmemöglichkeiten eingeräumt werden. |
Hinweis
Daneben lassen sich eine Vielzahl steuergünstiger Effekte durch eine derartige Gestaltung erreichen, deren Darstellung den hier vorgegebenen Rahmen sprengen würde.
Rz. 169
In Betracht kommt auch eine indirekte Beteiligung der Nachfolger am Unternehmen, z.B. in Form von (typischen oder atypischen) Unterbeteiligungen oder stillen Beteiligungen. Zu beachten is...