Dr. Fabian Friz, Dr. Konrad Grünwald
A. Vorbemerkung
Rz. 1
Die Rechtnachfolge in unternehmerisches oder privates Vermögen ist primär eine Gestaltungsaufgabe. Die nachfolgenden Ausführungen können sich deshalb nicht auf die Beschreibung des – weitgehend dispositiven – Gesetzesrechts beschränken, sondern müssen insb. die gestaltungsrelevanten Aspekte dieser Themenstellung betonen. Und diese sind – wie bei jeder Gestaltung – zukunftsorientiert und auf spezifische Ziele ausgerichtet. In erster Linie bedarf es in diesem Kontext der Definition der anzustrebenden Ziele und deren Ordnung (Zielhierarchie), um Zielkonflikte zu vermeiden.
Beispiel
Wer der Minimierung der nachfolgebedingten Steuerlast die oberste Priorität einräumt, vernachlässigt möglicherweise bewusst oder unbewusst andere Gestaltungsziele. Das kann verheerende Folgen haben, etwa dann, wenn dem Unternehmen keine zukunftsfähige Struktur gegeben wird oder Streit unter den Familienangehörigen ausbricht.
Rz. 2
Im Bereich mittelständischer Unternehmen bildet das Unternehmensvermögen häufig den wesentlichen Teil des Familienvermögens, sodass an oberster Stelle regelmäßig der Erhaltung des Familienvermögens stehen dürfte. Diese Zieldefinition erfordert Vorkehrungen für den Fall, dass entweder die angestrebte familieninterne Nachfolge ausscheidet – etwa weil der Nachfolger vorverstirbt oder sich anderen Aufgaben zuwendet – oder aber dem Nachfolger der unternehmerische Erfolg versagt bleibt. Die aus dieser Überlegung folgende Unternehmensstruktur muss nicht nur die ins Auge gefasste Nachfolge ermöglichen, sondern zugleich transaktionsoffen sein, um ggf. auch die Alternative einer Unternehmenstransaktion (Unternehmensverkauf, Beteiligung eines Investors) zu ermöglichen und insb. auch eine effektive Haftungsabschirmung wertvollen Anlagevermögens zumindest ggü. Risiken aus dem operativen Geschäft (bspw. Gewinneinbruch aufgrund wirtschaftlicher Krisen, Produkthaftung etc.) beinhalten. Eine solche nachfolgetaugliche Unternehmensstruktur erfordert regelmäßig einen erheblichen Gestaltungsaufwand.
Rz. 3
Zu den Gestaltungszielen gehört auch die Minimierung von nachfolgebedingten Liquiditätsabflüssen, die bei mittelständischen Unternehmerfamilien häufig nur aus dem Unternehmen und nicht aus dem Privatvermögen finanziert werden können. Die Unternehmensnachfolge begründet vor dem Hintergrund der Komplexität gerade auch des nachfolgerelevanten Steuerrechts stets die Gefahr, entweder ertragsteuerrelevante Gewinnrealisierungen oder vermeidbare Erbschaftsteuerbelastungen auszulösen. Aber nicht allein das Steuerrecht kann Liquiditätsbelastungen auslösen. Auch das Zivilrecht hat in diesem Kontext seine Tücken: Pflichtteilsansprüche, Zugewinnausgleichsansprüche, Ausgleichsansprüche unter Miterben (§§ 2050 ff. BGB) oder gar Unterhaltsansprüche (§ 1586b Abs. 1 Satz 1 BGB) sind zu bedenken und zu steuern. In diesen Fällen drohen häufig im Kontext der Erfüllung dieser Ansprüche spezifische steuerliche Nachteile.
Rz. 4
Eine sachgerechte Gestaltung kann vor dem Hintergrund des komplexen Umfelds, das neben den erwähnten Gesichtspunkten eine Vielzahl weiterer Aspekte – insb. auch in psychologischer Hinsicht – umfasst, nicht kurzfristig herbeigeführt werden, sondern ist eine langfristige Strukturierungsaufgabe, die einer sorgfältigen Analyse des Status quo, einer wohlüberlegten Definition der Zielhierarchie und – auf der Grundlage dieser Vorarbeiten – der Entwicklung einer individuellen Unternehmensstruktur bedarf. Diese Unternehmensstruktur muss dabei laufend auf die Übereinstimmung mit den tatsächlichen Gegebenheiten und der aktuellen Rechtslage überprüft und bei Bedarf angepasst werden.
Rz. 5
Dies alles kann indessen nicht Gegenstand der nachfolgenden Ausführungen sein, die sich auf das rechtliche und steuerliche Umfeld der Nachfolge in Gesellschaftsbeteiligungen beschränken werden. Gerade deshalb sei vorweg betont, dass die Kenntnis der insoweit bestehenden Gestaltungsoptionen und der zugehörigen steuerlichen Konsequenzen eine erforderliche, nicht aber eine hinreichende Bedingung für eine zukunftsfähige Nachfolgekonzeption ist.
B. Allgemeines zur steuerlichen Behandlung der Unternehmensnachfolge
I. Einkommensteuer
1. Allgemeines
Rz. 6
Die einkommensteuerliche Behandlung der Rechtsnachfolge von Todes wegen basiert im Wesentlichen auf der Entscheidung des Großen Senats vom 5.7.1990. Die Folgerungen aus dieser Entscheidung hat die Steuerverwaltung in dem BMF-Schreiben v. 14.3.2006 niedergelegt. Im Einzelnen ist von folgenden Grundsätzen auszugehen:
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Der Erbanfall und die Auseinandersetzung unter den Miterben sind getrennt zu würdigende Vorgänge (Abkehr von der früher herrschenden Einheitsthese); sie bilden auch dann keine Einheit, wenn die Auseinandersetzung zeitnah auf den Erbfall folgt. |
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Daraus folgt eine beschränkte ertragsteuerliche Rechtsfähigkeit der Betriebsvermögen haltenden Miterbengemeinschaft als Gewinnerzielungs- und -ermittlungssubjekt und die Qualifikation der Miterben als Mitunternehmer. Soweit die Miterbengemeinschaft ertragsteuerliches Privatver... |