1. Tötung eines Menschen
Rz. 36
Tatbestandlich setzen § 844 Abs. 3 BGB bzw. die gleichlautend eingeführten Vorschriften des Gefährdungsrechts zunächst die "Tötung" eines (unmittelbar verletzten) Menschen voraus. Dabei kann der Tod durchaus auch Folge einer (bloßen) Verletzung sein. Wie schon die systematische Auslegung – Verortung in den § 823 ff. BGB, statt etwa bei § 253 BGB – ergibt, genügt eine alleinige Vertragsverletzung – mit Ausnahme der kraft gesetzgeberischer Verweisung, wie etwa qua § 618 Abs. 3 BGB und § 62 Abs. 3 HGB, einbezogenen Fälle – nicht. In zeitlicher Hinsicht ist nach Art. 229 § 42 EGBGB für eine Anwendung der Vorschrift alleine dann Raum, wenn die zum Tode führende Verletzung nach dem 22.7.2017 eingetreten ist.
Rz. 37
Schwer(st)e Körperverletzungen, etwa solche, die ein Siechtum des unmittelbar Verletzten nach sich ziehen, hat der Gesetzgeber ausdrücklich nicht einbezogen, können einer Tötung mithin de lege lata auch nicht durch analoge Anwendung der Norm gleichgestellt werden. Auch wenn – so die ausdrückliche Gesetzesbegründung – die seelischen Belastungen von Menschen, die einem schwer Verletzten besonders nahestehen, oftmals nicht geringer als jene, die die Hinterbliebene eines Getöteten erlitten, sei die Situation nicht vergleichbar; schließlich stünden Überlebenden, das heißt "nur" verletzten, unmittelbar Geschädigten eigene (und vererbliche) Schmerzensgeldansprüche nach § 253 Abs. 2 BGB zu, sodass schon jetzt Ansprüche wegen der Beeinträchtigung immaterieller Interessen bestünden; außerdem vermeide die Beschränkung auf Todesfälle andernfalls drohende Abgrenzungsschwierigkeiten zwischen anspruchsauslösenden schweren Verletzungen und (entschädigungslos bleibenden) weniger schweren Verletzungen.
Rz. 38
Jedenfalls letzteres Praktikabilitätsargument erscheint nachvollziehbar. Ersterer Verweis auf das dem überlebenden, unmittelbar Geschädigten selbst zustehende Schmerzensgeld überzeugt hingegen weniger, denn dieses begründet und bemisst sich ausschließlich aus dessen eigenen immateriellen Beeinträchtigungen; nimmt das von § 844 Abs. 3 BGB geregelte "seelische Leid" nahestehender Personen demgegenüber überhaupt nicht in den Blick. Zu Recht sollte daher die Norm – jedenfalls de lege ferenda – auch eine Entschädigung bei schwer(st)en Verletzungen ermöglichen.
2. Seelisches Leid eines Hinterbliebenen
Rz. 39
Der Tod des unmittelbar Verletzten muss zu einem seelischen, also psychischen, Leid einer anderen, mithin nur mittelbar verletzten Person geführt haben. Dieses Leid muss in seiner Intensität nicht die gesundheitliche Beeinträchtigung eines sog. Schockschadens erreichen. Denn entsprechend dem erklärten Willen des Gesetzgebers, der gerade eine Ausweitung des gesetzlichen Schutzes von Hinterbliebenen vor Augen hatte, kommt es auf die – nach bisheriger Rechtsprechung zum sog. Schockschaden in Konsequenz der grundsätzlichen Nicht-Erstattungsfähigkeit "bloß" mittelbarer Schäden – eingrenzend erforderliche Voraussetzung einer eigenen gesundheitlichen Beeinträchtigung des Hinterbliebenen von Krankheitswert (siehe oben) – nicht mehr an (zum Konkurrenzverhältnis siehe unten). Irgendein Mindestmaß an Leid wird vom Gesetz nicht gefordert. In Konsequenz dessen ist richtigerweise deshalb davon auszugehen, dass bei einem besonderen persönlichen Näheverhältnis (dazu nachfolgend) der Verlust des nahestehenden Menschen infolge fremdverursachten Todes grundsätzlich seelisches Leid verursacht; dieses wird also aufgrund des besonderen persönlichen Näheverhältnisses vermutet. Einer qualifizierten Beeinträchtigung des Hinterbliebenen – etwa im Sinne einer solchen von Krankheitswert – bedarf es dann nicht mehr.
3. Besonderes persönliches Näheverhältnis
a) Definition
Rz. 40
Die mittelbar geschädigte Person muss zur getöteten Person in einem besonderen persönlichen Näheverhältnis gestanden haben. Letzteres setzt zumindest eine tatsächlich gelebte, nicht unbedingt räumliche soziale Beziehung besonderer Intensität zum Zeitpunkt der Verletzung voraus. Ein etwa erst im Rahmen der Pflege des unmittelbar Verletzten, nach einer später zum Tod führenden Verletzung, entstandenes Näheverhältnis genügt hingegen nicht. Auch das zur Zeit der Verletzung gezeugte, aber noch nicht geborene Kind ist – mangels einer hinreichenden Nähebeziehung bere...