1. Grundsatz der Einheitlichkeit des Schmerzensgeldanspruchs
Rz. 56
Bei der Verbescheidung eines – unbeschränkten – Schmerzensgeldbegehrens hat das Gericht entsprechend gefestigter höchstrichterlicher Rechtsprechung auf den Gesamtbetrag zu erkennen, der sowohl alle bereits eingetretenen als auch alle erkennbaren und objektiv vorhersehbaren künftigen unfallbedingten Verletzungsfolgen abgilt (Grundsatz der Einheitlichkeit des Schmerzensgeldanspruchs). Schon denkgesetzlich zwingend nicht erfasst werden hingegen und damit tauglicher Gegenstand späterer, ergänzender Anspruchsstellung sind lediglich solche Verletzungsfolgen, die im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung weder eingetreten noch – aus fachkundiger Sicht – objektiv vorhersehbar waren, das heißt, mit denen nicht ernstlich zu rechnen war. Entsprechend bemisst sich auch die Rechtskraft der gerichtlichen Entscheidung.
2. Ermessen
Rz. 57
Die Höhe der im Einzelfall angemessenen, "billigen Entschädigung in Geld" hat im Rechtsstreit der Tatrichter nach pflichtgemäßem Ermessen zu bestimmen, wobei ihm ein erheblicher Ermessensspielraum zukommt. Zur Ausübung des pflichtgemäßen Ermessens kann freilich die Orientierung an Entscheidungen der Gerichte in vergleichbaren Fällen gehören, denn gleichartige Verletzungen sollten jedenfalls annähernd gleiche Schmerzensgelder zur Folge haben. Die genannte "Orientierung" der tatrichterlichen Schmerzensgeldbemessung bedingt und rechtfertigt indessen keine Zementierung der Rechtsprechung. Selbstverständlich ist vielmehr nicht nur den jeweiligen Besonderheiten des Einzelfalls und einer etwaigen Geldwertentwicklung gebührend Rechnung zu tragen, sondern darüber hinaus auch für eine behutsame Fortentwicklung der Rechtsprechung (z.B. eine Erhöhung des allgemeinen Niveaus) Raum.
Rz. 58
Eine sachgerechte Orientierung – auch für Geschädigte, Versicherer und Rechtsanwälte – ermöglichen schon seit Jahren verschiedene "Schmerzensgeldtabellen", in jüngerer Zeit auch in digitaler Form und online. Während dabei schriftliche Tabellen regelmäßig nur eine Recherche nach bestimmten Hauptkriterien (beispielsweise einem in erster Linie verletzten Körperteil) und einem Unterkriterium (z.B. der Höhe der zuerkannten Entschädigung) ermöglichen, bieten die entsprechenden elektronischen Datenbanken weiter gehende Recherchemöglichkeiten, insbesondere die Suche nach einer Kombination einer Vielzahl von Sachverhaltsmerkmalen. Dies hilft in praxi bei der Orientierung vor allem wegen der bei der Bemessung von Schmerzensgeldern möglichen Vielfalt an berücksichtigungsfähigen Bemessungsfaktoren.
3. Keine Bindung an den Klageantrag
Rz. 59
Im Rahmen der gerichtlichen Bemessung der im Einzelfall "billigen Entschädigung" ist das Gericht, wenn der Klageantrag nicht – ausnahmsweise – eine Obergrenze bestimmt (was bei Angabe eines Mindestbetrages unzweifelhaft nicht der Fall ist, aber auch bei Mitteilung einer Größenordnung regelmäßig fern liegen wird) – nicht gemäß § 308 ZPO an einen Mindestbetrag oder eine mitgeteilte Größenordnung gebunden.
4. Teilschmerzensgeld?
Rz. 60
Ob – ausnahmsweise – nur ein Teilschmerzensgeld (z.B. für die bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung eingetretenen Beeinträchtigungen) zuerkannt worden ist oder – trotz zulässiger offener Teilklage und damit un...