A. Gesetzliche Grundlagen

 

Rz. 1

 

§ 253 BGB: Immaterieller Schaden

(1) Wegen eines Schadens, der nicht Vermögensschaden ist, kann Entschädigung in Geld nur in den durch das Gesetz bestimmten Fällen gefordert werden.

(2) Ist wegen einer Verletzung des Körpers, der Gesundheit, der Freiheit oder der sexuellen Selbstbestimmung Schadensersatz zu leisten, kann auch wegen des Schadens, der nicht Vermögensschaden ist, eine billige Entschädigung in Geld gefordert werden.

 

§ 11 StVG: Umfang der Ersatzpflicht bei Körperverletzung

(1) Im Fall der Verletzung des Körpers oder der Gesundheit ist der Schadensersatz durch Ersatz der Kosten der Heilung sowie des Vermögensnachteils zu leisten, den der Verletzte dadurch erleidet, dass infolge der Verletzung zeitweise oder dauernd seine Erwerbsfähigkeit aufgehoben oder gemindert oder eine Vermehrung seiner Bedürfnisse eingetreten ist. Wegen des Schadens, der nicht Vermögensschaden ist, kann auch eine billige Entschädigung in Geld gefordert werden.

 

§ 844 Abs. 3 BGB: Umfang der Ersatzpflicht bei Tötung

(wortgleich u.a. auch § 10 Abs. 3 StVG, § 5 Abs. 3 HpflG, § 35 Abs. 3 LuftVG)

(3) Der Ersatzpflichtige hat dem Hinterbliebenen, der zur Zeit der Verletzung zu dem Getöteten in einem besonderen persönlichen Näheverhältnis stand, für das dem Hinterbliebenen zugefügte seelische Leid eine angemessene Entschädigung in Geld zu leisten. Ein besonderes persönliches Näheverhältnis wird vermutet, wenn der Hinterbliebene der Ehegatte, der Lebenspartner, ein Elternteil oder ein Kind des Getöteten war.

B. Allgemeines

 

Rz. 2

Der Schaden im natürlichen Sinn umfasst alle Einbußen, die eine Person an ihren Gütern (Leben, Gesundheit, Ehre, Eigentum, Vermögen) erleidet. Die allgemeinen schadensrechtlichen Regeln der §§ 249 ff. BGB gehen hiervon aus und erfassen ausweislich nicht nur des umfassenden Wortlauts von § 249 Abs. 1 BGB, sondern namentlich auch der Bestimmung des § 253 BGB demgemäß an sich sämtliche Schäden in diesem Sinne.[1] Während jedoch Vermögensschäden mittels der sog. Differenzhypothese, d.h. der Gegenüberstellung der Vermögenssituation des Geschädigten vor und nach dem in Rede stehenden Ereignis, ggfs. ergänzt bzw. korrigiert durch normative Schadensüberlegungen, in der Regel mehr oder weniger exakt gemessen werden können, entziehen sich immaterielle oder Nichtvermögensschäden einer einfachen Messung, sind vielmehr – wie in § 253 Abs. 1 BGB selbst – letztlich (nur) negativ dadurch zu umschreiben, dass sie sich als Einbußen des Geschädigten an seinen Rechtsgütern in dessen Vermögensbilanz gerade nicht messbar niederschlagen.

 

Rz. 3

Hierunter fallen beispielsweise Beeinträchtigungen des körperlichen und seelischen Wohlbefindens, Verunstaltungen, körperliche Schmerzen, Ehrabschneidungen, Verlust von Lebensfreude und -zeit etc.[2] Diese quasi definitionsgemäße Schwierigkeit einer Bewertung von Nichtvermögensschäden und die Skepsis der Väter des BGB gegenüber einer demgemäß notwendigen mehr oder weniger freien richterlichen Schätzung derselben mündete in den in § 253 Abs. 1 BGB niedergelegten grundsätzlichen Ausschluss eines Ausgleichsanspruchs für Nichtvermögensschäden.[3] Die sonach für die Schaffung des BGB konstatierte allgemeine Tendenz, dem Zivilrecht ausschließlich den Schutz vermögenswerter Interessen zuzuweisen, wird darüber hinaus für eine bis heute fortwirkende generelle Zurückhaltung gegenüber der Entschädigung für immaterielle Schäden verantwortlich gemacht[4] und – zu Recht – kritisiert, weil sie dem nicht zuletzt grundgesetzlich verbürgten besonderen Schutz der menschlichen Persönlichkeit (Art. 1 GG) im Vergleich zu jenem rein materieller Interessen – speziell etwa bezogen auf Kraftfahrzeuge – nicht angemessen Rechnung trage.[5]

 

Rz. 4

Insofern hat das Zweite Gesetz zur Änderung schadensersatzrechtlicher Vorschriften zum 1.8.2002 auf gesetzlicher Ebene zumindest insofern etwas "Bewegung" gebracht, als die ehedem alleine auf deliktsrechtliche und damit regelmäßig verschuldensabhängige Ansprüche beschränkte Regelung des § 847 BGB (mit minimalen Modifikationen) in § 253 Abs. 2 BGB, mithin im allgemeinen Schuldrecht, überführt wurde, sodass eine Entschädigungspflicht für Nichtvermögensschäden – wie längst überfällig – nunmehr etwa auch im Rahmen von vertraglicher Haftung oder auch Gefährdungshaftung in Betracht kommt.[6] Nachdem die Überführung des § 847 BGB ins allgemeine Schuldrecht indessen inhaltlich – auch nach der Vorstellung des Gesetzgebers – keine erheblichen Änderungen mit sich brachte, kann einstweilen für die Normanwendung cum grano salis auf die zu § 847 BGB ergangene Rechtsprechung weiter zurückgegriffen werden. Für Altfälle, das heißt Schadensereignisse vor dem 1.8.2002, gelten freilich nach Art. 229 § 8 Abs. 1 EGBGB weiterhin §§ 253, 847 BGB a.F.[7] Besteht demnach in einem Altfall eine Haftung allein nach dem StVG, besteht kein Anspruch auf Schmerzensgeld, selbst, wenn sich etwa Spätfolgen aus früheren Unfällen erst nach dem 31.7.2002 herausstellen.[8]

 

Rz. 5

Zu bedenken ist, dass die Kompensation von Nichtvermögens...

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