Eberhard Rott, Dr. Michael Stephan Kornau
Rz. 17
Diese Lösung geht von der Überlegung aus, dass das Handelsgeschäft in den Nachlass gefallen ist und damit grundsätzlich den Erben zusteht. Der Testamentsvollstrecker soll nun dieses Handelsgeschäft im Namen der Erben als deren Bevollmächtigter weiterführen. Diese von der Rechtsprechung grundsätzlich anerkannte Lösung erfordert, dass der Erbe seine Haftung für die bei der Fortführung des Unternehmens vom Testamentsvollstrecker begründeten Geschäftsverbindlichkeiten auf sein Privatvermögen ausweitet. Hierzu bedarf es einer ausdrücklichen Bevollmächtigung des Testamentsvollstreckers, neben dem Nachlass (§ 2206 BGB) auch den Erben persönlich und unbeschränkt zu verpflichten. Der Erbe steht damit dem Handelsverkehr als voll haftender Inhaber des Handelsgeschäftes zur Verfügung. Teilweise wird gefordert, dass daher ein Testamentsvollstreckervermerk in das Handelsregister einzutragen ist. Dies würde jedoch zu Rechtsunsicherheit führen, da die Erben als Nachfolger im Handelsregister eingetragen sind und der Rechtsverkehr gem. § 15 Abs. 2 HGB darauf vertrauen darf, dass sämtliche Rechtsgeschäfte für und gegen die Erben abgeschlossen werden. Die Pflicht zur Anmeldung im Handelsregister trifft die Erben, nicht den Testamentsvollstrecker. Die Eintragung eines Testamentsvollstreckervermerks ist bei der Vollmachtlösung also ausgeschlossen.
Rz. 18
Bedenken gegen die Vollmachtlösung werden unter praktischen wie unter dogmatischen Gesichtspunkten erhoben.
Die Vollmachtlösung setzt voraus, dass die Erben eine Willenserklärung in Form der Bevollmächtigung des Testamentsvollstreckers abgeben, also ihr Einverständnis dazu erklären, dass der Testamentsvollstrecker bei der Unternehmensführung auch das Privatvermögen der Erben verpflichten darf. Ein bereits erteiltes Testamentsvollstreckerzeugnis reicht nicht aus, da es keine durch die Erben selbst erteilte Legitimation darstellt. Ein Einverständnis zu erlangen, erscheint in Anbetracht der Haftungsgefahren bei der Unternehmensfortführung problematisch. Nicht selten wird der Erbe die Bevollmächtigung des Testamentsvollstreckers daher verweigern.
Rz. 19
Die Vollmachtlösung hat deshalb nur dann eine Chance auf praktische Umsetzung, wenn schon bei der Gestaltung der letztwilligen Verfügung sämtliche Möglichkeiten genutzt werden, den Erben zur Erteilung der Vollmacht anzuhalten. Welche Möglichkeiten der Erblasser hat, den Erben zur Mitwirkung zu zwingen, ist umstritten. Grundsätzlich kommt als Instrumentarium die Erteilung einer post- oder transmortalen Vollmacht durch den Erblasser zugunsten des Testamentsvollstreckers in Betracht. In Anbetracht des Wortlautes des § 2206 Abs. 1 BGB erscheint es aber bereits fraglich, ob die Vollmacht sich überhaupt auf das Privatvermögen des Erben erstrecken kann. Jedenfalls könnte der Erbe diese Vollmacht jederzeit widerrufen.
Rz. 20
Weiterhin kommen die testamentarischen Gestaltungsmittel der bedingten Erbeinsetzung oder auch der Auflage in Betracht. Die Erbeinsetzung kann unter die aufschiebende Bedingung der Erteilung einer Vollmacht zugunsten des Testamentsvollstreckers gestellt werden und zudem gleichzeitig auflösend bedingt sein durch einen Vollmachtswiderruf. Ferner kann der Erblasser den Erben auch mit einer Auflage gemäß §§ 1940, 2192 ff. BGB beschweren, ihm die entsprechende Vollmacht zu erteilen.
Rz. 21
Durch eine bedingte Erbeinsetzung findet bei Nichteintritt der aufschiebenden Bedingung eine dem Erblasserwillen unter Umständen zuwiderlaufende Vor- und Nacherbschaft (§§ 2104 f. BGB) an dem Unternehmen statt. Die Vollmachtslösung mittels Beschwerung durch eine Auflage bietet demgegenüber den Vorteil des endgültigen Anfalls der Zuwendung und der dauerhaften Bindung des Erben an die Auflage. Sie wird daher teilweise als vorzugswürdig angesehen. In der Praxis bereitet sie dem Testamentsvollstrecker jedoch erhebliche Probleme. Er wird zwar die Möglichkeit haben, die Vollziehung der Auflage – Erteilung der Vollmacht – notfalls einzuklagen. Da der Erbe jedoch die von ihm erteilte Vollmacht jederzeit widerrufen kann, kann es zu einem ständigen Hin und Her zwischen Widerruf und Wiedereinräumung der Vollmacht kommen. Für eine ordnungsgemäße Testamentsvollstreckung ist eine solche Situation ausgesprochen kontraproduktiv.
Praxishinweis
In der Praxis kann die Vollmachtlösung angesichts der großen Haftungsgefahren, die auf den Erben bei einer derart gestalteten Testamentsvollstreckung zukommen, nur bei freiwilliger Vollmachtserteilung durch den Erben empfohlen werden. Bei der Ausgestaltung ist dringend zu empfehlen:
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zeitliche Begrenzung der Vollmacht auf die Dauer der Testamentsvollstreckung, |
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inhaltliche Beschränkungen (Vollmacht nur soweit wirklich nötig), |
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Überwachung durch Dritte (z.B. Wirtschaftsprüfer, Steuerberater, Rechtsanwälte), |
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Vergütung. |