Eberhard Rott, Dr. Michael Stephan Kornau
1. Grundsätzliche Unterschiede zu den Personenhandelsgesellschaften
Rz. 52
Kapitalgesellschaften sind im Gegensatz zu Personenhandelsgesellschaften keine personenbezogenen Zusammenschlüsse und beruhen nicht auf der Vertrauensbindung ihrer Mitglieder, wodurch eine Testamentsvollstreckung grundsätzlich bereits erleichtert wird. Die Testamentsvollstreckung an solchen Gesellschaftsanteilen ist daher grundsätzlich unproblematisch zulässig. Ein generelles Zustimmungsbedürfnis der Mitgesellschafter besteht nicht, es sei denn, eine Satzungsbestimmung erfordert die Zustimmung ausdrücklich.
Rz. 53
Nicht der Testamentsvollstreckung unterliegen aber höchstpersönliche Mitgliedschaftsrechte des Gesellschaftererben. So ist das Verwaltungsrecht des Testamentsvollstreckers im Kernbereich der Mitgliedschaft nur mit zusätzlicher Einwilligung des Gesellschaftererben auszuüben. Auch das Recht der Kapitalgesellschaften kennt in Ausnahmefällen den Rückgriff auf die unbeschränkte persönliche Haftung der Gesellschafter. Da das Stammkapital der Gesellschaft dem Handelsverkehr als Sicherheit erhalten bleiben soll, sieht das Gesetz bei der GmbH z.B. eine Haftung bei Rückzahlungen (§ 30 i.V.m. § 31 Abs. 1 GmbHG) sowie eine allgemeine Differenzhaftung (§ 24 GmbHG) der Mitgesellschafter vor. Liegt einer dieser Fälle bei gleichzeitiger Anordnung von Testamentsvollstreckung vor, so kann der Testamentsvollstrecker den Erben grundsätzlich nicht persönlich mit dessen Privatvermögen verpflichten. Die Erstattung von Rückzahlungen und die Aufbringung der Differenz hat vielmehr aus Mitteln des Nachlasses zu erfolgen. Sollten Letztere zur Einlagenaufbringung nicht ausreichen, entfällt die Verpflichtung zur Einlagenzahlung nicht. Jedoch handelt der Testamentsvollstrecker in diesen Fällen, z.B. durch Annahme der Einlagenrückzahlung, der ordnungsgemäßen Verwaltung zuwider, so dass er seine Eigenhaftung begründet.
Rz. 54
Bei Kapitalerhöhungen wird eine Mitwirkung des Testamentsvollstreckers ohne Zustimmung der Erben nur dann für zulässig erachtet, wenn ausreichende Nachlassmittel verfügbar sind.
2. Besonderheiten bei den einzelnen Formen der Kapitalgesellschaften
a) Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH)
Rz. 55
Eine GmbH ist eine Handelsgesellschaft mit körperschaftlicher Organisation und eigener Rechtspersönlichkeit, die zu jedem zulässigen Zweck gegründet werden kann, wobei der Zweck nicht notwendigerweise gewerblich sein muss. Für die Verbindlichkeiten der Gesellschaft haftet den Gesellschaftsgläubigern gegenüber allein das Gesellschaftsvermögen (Stammkapital). Die GmbH ist eine juristische Person. Anteile an einer GmbH sind nach § 15 Abs. 1 GmbHG frei vererblich und gehen im Erbfall auf den Erben über. Ist eine Erbengemeinschaft Erbe, so üben sie die Rechte und Pflichten gemeinschaftlich aus, § 18 GmbHG. Sondererbfolge ist nicht möglich. Grundsätzlich ist eine Testamentsvollstreckung an einem Geschäftsanteil an einer GmbH zulässig, auch bei einer Einmann-GmbH. Eine Zustimmung der übrigen Gesellschafter ist nicht erforderlich. Der Testamentsvollstrecker übt dann für den Erben sämtliche Rechte und Pflichten aus, die mit dem Geschäftsanteil verbunden sind. Anders wäre es, wenn nach der Satzung der Gesellschaft die Ausübung von Verwaltungsrechten durch einen Testamentsvollstrecker ausgeschlossen ist.
b) Aktiengesellschaft (AG)
Rz. 56
Aktien sind verkehrsfähig, §§ 413, 398 ff. AktG und frei vererblich. Die Testamentsvollstreckung an Aktien wird von der Rechtsprechung unproblematisch für zulässig gehalten. Der Testamentsvollstrecker verwaltet die Aktien, er übt das Stimmrecht und das Bezugsrecht aus.
c) Genossenschaft
Rz. 57
Ihrer Grundstruktur nach ist die eingetragene Erwerbs- und Wirtschaftsgenossenschaft im Sinne von § 1 GenG eine Körperschaft. Sie ist keine Personengesellschaft. Ihre Rechtsfähigkeit erlangt sie mit Eintragung in das Genossenschaftsregister. Die eG ist ein föderativer Sonderverein. Prägend ist die offene Mitgliederzahl.
Rz. 58
Eine Erbengemeinschaft kann einer Genossenschaft nicht beitreten, sie kann jedoch eine Mitgliedschaft vom Erblasser erwerben und diese dauerhaft fortsetzen, sofern die Satzung dies vorsieht. Nach § 77 Abs. 1 S. 1 GenG geht die Mitgliedschaft mit dem Tod auf die Erben über. Die Mitgliedschaft endet mit dem Schluss des Geschäftsjahres, in dem der Tod eingetreten ist, § 77 Abs. 1 S. 2 GenG. Das Stimmrecht kann bei einer Mehrheit von Erben nur einheitlich durch einen gemeinschaftlichen Vertreter abgegeben werden, § 77 Abs. 1 S. 3 GenG. Dies steht im Widerspruch zu einer Testamentsvollstreckung, sofern sich diese nur auf einige von mehreren Erben bezieht.
Praxishinweis
Der Erblasser sollte, wenn er bei einer Mehrheit von Erben die Testamentsvollstreckung nur auf bestimmte Erben erstrecken möchte, für den Genossenschaftsanteil die Testamentsvollstreckung für alle anordnen.