Dr. Martin Feick, Lisa Hammes
Rz. 35
Ebenfalls in der Praxis sehr beliebt sind – oder waren dies jedenfalls in der Vergangenheit – Vermögensübertragungen gegen Versorgungsleistungen. Hierunter sind Vereinbarungen zu verstehen, in denen der Übernehmer als Gegenleistung für die Übergabe eines oder mehrerer Vermögensgegenstände zu mehr oder weniger regelmäßigen Zahlungen an den Übergeber, üblicherweise bis zu dessen Tod, verpflichtet wird. Der wirtschaftliche Vorteil einer solchen Gestaltung anstelle der Vereinbarung eines Nießbrauchs besteht für den Übergeber darin, dass er eine von dem Ertrag des übergebenen Vermögens unabhängige Altersversorgung erhält. Das Rechtsinstitut der Vermögensübergabe gegen Versorgungsleistungen wird als Fremdkörper der einkommensteuerlichen Systematik bezeichnet, "da es mit der Einkünfteerzielung in Zusammenhang stehende Ausgaben der Ermittlung der steuerbaren Einkünfte entzieht und sie der nur ausnahmsweise steuermindernden Einkommensverwendung in Form des Sonderausgabenabzugs zuweist." Bevor in diesem Kapitel jedoch die ertragsteuerlichen Folgen der Vermögensübergabe gegen Versorgungsleistungen in ihren Grundzügen dargestellt werden, erfolgen einige allgemeine zivilrechtliche Hinweise.
1. Vermögensübergabe gegen Versorgungsleistungen im Zivilrecht
Rz. 36
Bei der Gestaltung von Übergabeverträgen gegen Versorgungsleistungen ist aus Beratersicht zu bedenken, dass sich zwischen Übergeber und Übernehmer durchaus widerstreitende Interessen ergeben können. Während es dem Übergeber regelmäßig um die Sicherung seiner Altersversorgung geht, möchte der Übernehmer sich nicht zu Leistungen verpflichten, die er nicht aus dem übertragenen Vermögen erwirtschaften kann. Während bei einer Schenkung unter Nießbrauchsvorbehalt der Übergeber nur diejenigen Erträge erhält, die aus dem übertragenen Vermögen auch tatsächlich erwirtschaftet werden, ist der Übernehmer bei einer Vereinbarung zur Erbringung von regelmäßig wiederkehrenden Leistungen auch dann zur Leistung verpflichtet, wenn die Erträge aus dem übergebenden Vermögen zur Erbringung der versprochenen Leistungen nicht ausreichen. Aus zivilrechtlicher Sicht kann es daher sinnvoll sein, die Versorgungsleistungen abänderbar zu gestalten, z.B. indem eine Abänderungsmöglichkeit gemäß § 323 ZPO vorgesehen wird.
2. Vermögensübergabe gegen Versorgungsleistungen im Ertragsteuerrecht
Rz. 37
Ertragsteuerliches Ziel der beratenden Gestaltung im Zusammenhang mit der Vermögensübergabe gegen Versorgungsleistungen ist i.d.R., dass der Übernehmer die zu erbringenden Versorgungsleistungen als Sonderausgaben nach § 10 Abs. 1a Nr. 2 EStG abziehen kann, während der Übergeber korrespondierend hierzu Einkünfte aus wiederkehrenden Bezügen nach § 22 Nr. 1a EStG zu versteuern hat. Denn häufig hat der Übergeber nach der Übergabe geringere Einkünfte als der Übernehmer, sodass die Vorteile aus dem Sonderausgabenabzug beim Übernehmer die steuerlichen Nachteile der Versteuerung beim Übergeber überwiegen. Dieses Ziel kann seit der Neufassung des § 10 Abs. 1 Nr. 1a EStG a.F. durch das JStG 2008 nur noch in wenigen Fällen erreicht werden, nämlich ausschließlich dann, wenn die Versorgungsleistungen im Zusammenhang mit der Übertragung eines Mitunternehmeranteils an einer gewerblich tätigen Personengesellschaft, der Übertragung eines Betriebs oder der Übertragung bestimmter GmbH-Anteile zu erbringen sind (hierzu siehe Rdn 38).
Zur Veranschaulichung der möglichen ertragsteuerlichen Vorteile folgendes kurzes Berechnungsbeispiel:
Beispiel
Sohn S hat sich im Übergabevertrag verpflichtet, seinem Vater V als Gegenleistung für die Übertragung sämtlicher Gesellschaftsanteile aus der gewerblich tätigen (§ 15 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 EStG) XY KG jährlich 40.000 EUR zu zahlen. Aus Vereinfachungsgründen soll der Steuersatz des V 30 Prozent und der des Sohns S (z.B. aufgrund sonstiger Einkünfte) 40 Prozent betragen.
Die XY-KG erwirtschaftet im Jahr 2022 von S zu versteuernde Gewinne i.H.v. 100.000 EUR.
Variante 1:
Die Zahlungen an V sind bei diesem nicht als Einkünfte zu versteuern und können korrespondierend von S nicht als Sonderausgaben abgezogen werden:
S hat ein zu versteuerndes Einkommen i.H.v. 100.000 EUR, sodass er 40.000 EUR (40 Prozent) zu versteuern hat. V hat keine Steuern zu zahlen, sodass die Steuerlast von V und S insgesamt 40.000 EUR beträgt.
Variante 2:
V hat die Zahlungen seines Sohns in voller Höhe als wiederkehrende Bezüge nach § 22 Nr. 1a EStG zu versteuern, S kann sie nach § 10 Abs. 1a Nr. 2 EStG als Sonderausgaben abziehen.
S versteuert 60.000 EUR (100.000 – 40.000 EUR) und zahlt hierauf 24.000 EUR Steuern (40 Prozent). V hat 40.000 EUR mit seinem persönlichen ...