Rz. 44
Gesetzliche Haftpflichtbestimmungen privatrechtlichen Inhalts sind Rechtsnormen, die unabhängig von dem Willen der beteiligten Parteien an die Verwirklichung des Tatbestandes eines unter § 1 AVB fallenden Schadensereignisses Rechtsfolgen knüpfen, wobei an die Stelle des Schadensereignisses in der Vermögensschadenhaftpflichtversicherung der Verstoß tritt. Unter die gesetzlichen Haftpflichtbestimmungen fallen auch vertragliche und vertragsähnliche Schadensersatzansprüche (also nicht Erfüllungs- und Gewährleistungsansprüche), wenn sie gesetzlich begründet sind, mithin nach Grund und Höhe nicht auf dem Willen der Vertragsparteien beruhen. § 1 I Nr. 1 letzter Satz stellt dies noch einmal ausdrücklich klar. Die dort angesprochenen Fälle spielen in der Praxis durchaus eine bedeutende Rolle. Die Rückforderung von an den Anwalt geleisteter Gebühren – gleich aus welchem Rechtsgrund – ist kein versicherter Anspruch (§ 1 I Nr. 1 Satz 2 AVB). Das Gleiche gilt für den Anspruch des Mandanten auf Herausgabe von Fremdgeld gem. § 667 BGB. Auskunfts- und Herausgabeansprüche werden häufig gegen Testamentsvollstrecker, Nachlasspfleger etc. geltend gemacht, aber auch gegen Rechtsanwälte. Auch dies sind keine Haftpflichtansprüche und lösen daher keinen Deckungsschutz über die Berufshaftpflichtversicherung aus. Das gilt dann auch für den Abwehranspruch.
Rz. 45
Die Haftung gem. § 179 Abs. 1 BGB liegt nahe am Erfüllungsanspruch; der "andere Teil" hat zumindest die Wahl, ob er Erfüllung oder Schadensersatz verlangen will. In einem Fall zur Architektenhaftung hatte der BGH allerdings erklärt, es handele sich deshalb um einen gem. AHB gedeckten Haftpflichtanspruch, weil die Rechtsfolgen des § 179 BGB unabhängig vom Willen der beteiligten Parteien an die Verwirklichung eines Schadenereignisses Rechtsfolgen knüpfe. Der Anspruch beruhe auf Gesetz und nicht auf Vertrag. Zu Recht kritisiert Prölss dieses Urteil. Der Anspruch aus § 179 Abs. 1 BGB sei ebenso wie z.B. der Anspruch gegen den aufgrund bloßer Anscheinsvollmacht Verpflichteten ein gesetzlicher Erfüllungsanspruch, der von § 1 AHB trotz dieses gesetzlichen Charakters nicht erfasst werde. Diese Auffassung trifft die Sache eher. Korrekterweise wird man differenzieren müssen. Jedenfalls wenn der Dritte den Primäranspruch aus dem Vertragsverhältnis geltend macht, das seiner Ansicht nach zwar mit dem Vertretenen abgeschlossen wurde, mangels Vertretungsmacht aber nicht zustande kam, handelt es sich um einen nicht gedeckten Erfüllungsanspruch. Der Inhalt dieses Anspruchs hängt von dem ab, was die Parteien miteinander vereinbart haben. Wählt der Dritte Schadensersatz, geht es gerade nicht um die Erfüllung des Vertrages, sondern um das enttäuschte Vertrauen auf die Vertretungsmacht und damit um Anspruchspositionen, die außerhalb der Vertragserfüllung liegen. Diese Ansprüche müssen als vom Versicherungsschutz gedeckt angesehen werden.
Rz. 46
Zu den gesetzlichen Haftpflichtbestimmungen zählen also v.a. die für Ersatzansprüche gegen den Anwalt so wichtigen Regeln über die Pflichtverletzung gem. § 280 BGB. Wird hingegen ein Rechtsanwalt nach dem Veranlasserprinzip gem. § 49 GKG a.F. (jetzt § 22 GKG) für Gerichtskosten haftbar gemacht, die durch Einleitung eines Verfahrens für einen Mandanten entstanden sind, hinsichtlich dessen er keine Vollmacht nachweisen kann, ist der Berufshaftpflichtversicherer nicht eintrittspflichtig, weil die Kostenschuldnerschaft aus einem Verhältnis öffentlich-rechtlicher Art herrührt.