Rz. 63
Sinn des Risikoausschlusses nach § 4 Nr. 4 AVB ist es, den Versicherungsschutz auf die Haftung aus eigentlich beruflicher Tätigkeit zu beschränken und Haftungsansprüche aus berufsfremder Tätigkeit vom Versicherungsschutz auszunehmen (siehe auch Rdn 35). Die Leitung eines Unternehmens entspricht nicht dem typischen Berufsbild eines Anwalts und wäre daher schon nach § 1 AVB nicht als versichert anzusehen. Es ist deshalb gerechtfertigt, die aus dieser Tätigkeit entstehenden Haftungsansprüche aus der Anwaltshaftpflichtversicherung herauszunehmen bzw. dies an dieser Stelle noch einmal klarzustellen. Fehler unternehmerischer Entscheidungen gehören nicht zum Haftungsrisiko des Anwalts.
Rz. 64
Der Risikoausschluss erfasst allerdings nur solche Tätigkeiten, die der Anwalt als "Leiter, Geschäftsführer, Vorstands- oder Aufsichtsratsmitglied" ausübt. Da Regeln über Risikoausschlüsse grds. eng und nicht über ihren Wortsinn hinaus auszulegen sind, sind die Begriffe des Leiters usw. nicht analogiefähig. Damit werden vom Risikoausschluss andere Tätigkeiten nicht erfasst, soweit sie zur "Ausübung beruflicher Tätigkeit" eines Anwalts gehören (§ 1 I AVB).
Rz. 65
War der Anwalt als Leiter usw. tätig und hat er für denselben Mandanten daneben gleichzeitig eine anwaltliche Tätigkeit ausgeübt, so entfällt der Deckungsanspruch nicht schon deshalb, weil die Tätigkeit auch die eines Leiters usw. umfasste. Ist der Anwalt z.B. Vorstandsmitglied einer AG, hat er aber als Anwalt für die AG Verträge entworfen oder als Anwaltsnotar Urkunden errichtet, so ist für diese Tätigkeit der Deckungsschutz nicht ausgeschlossen, wenn dem Anwalt dabei Fehler unterlaufen sind. Er ist insoweit nicht wirtschaftlich, sondern anwaltlich tätig geworden. Bei der Beauftragung des jeweiligen Gremiums an das Mitglied des Gremiums als Anwalt ist Vorsicht geboten. So bedarf es bei Aufsichtsräten zur Wirksamkeit eines Anwaltsvertrages eines besonderen Beschlusses des gesamten Aufsichtsrats, § 114 AktG. Auch in anderen Gremien sollte auf Klarheit geachtet werden, um Versicherungsschutz zu sichern, wenn tatsächlich ein Mandatsvertrag und anwaltliche Tätigkeit vorliegt.
Diesen Abgrenzungsschwierigkeiten trägt nun auch Teil 2 B Nr. 1.1 letzter Spiegelstrich zugunsten des Versicherungsnehmers Rechnung, indem Schadensersatzansprüche aus Pflichtverletzungen auch dann mitversichert sind, wenn sie sich gegen den Versicherungsnehmer als Mitglied eines Aufsichts- (nicht Leitungs-!)organs richten und wenn der Verstoß an sich der beruflichen, also anwaltlichen, Tätigkeit zugerechnet werden kann. Wird also der Anspruch gegen einen Rechtsanwalt, der ein Aufsichtsratsmandat bekleidet, auf die §§ 116, 93 Abs. 2 AktG gestützt, greift die Berufshaftpflichtversicherung des Anwalts dann, wenn der Fehler im rechtsberatenden Bereich angesiedelt ist. Da die Haftung des Aufsichtsrats natürlich auch anderen Bereichen entspringen kann, sollte man vor Annahme des Aufsichtsratsmandats auf den Abschluss einer D&O-Versicherung durch das jeweilige Unternehmen oder einen Zusatz in der eigenen Haftpflichtversicherung (sog. ODL) achten.
Rz. 66
Das gilt auch für die Leitungsfunktion in der eigenen Kanzlei/Berufsträgergesellschaft. Der Geschäftsführer einer Anwalts-GmbH oder Vorstand einer Anwalts-AG kann dieser ggü. für Pflichtverletzungen haften, die er als Leitungsorgan begeht (fehlerhafte Bestellung von Büromaterial, Fehler bei der Personalplanung oder der Büroorganisation etc.). Dafür hat er über seine Vermögensschaden-Haftpflicht-Police als Anwalt keinen Versicherungsschutz, da es sich nicht um anwaltliche Tätigkeiten handelt und der Ausschluss des § 4 Nr. 4 AVB greifen würde. In solchen Fällen kann Deckungsschutz nur über eine D&O-Versicherung erlangt werden.
Ein Innenregress der Gesellschaft wegen Fehler bei der Mandatsausübung sollte ausscheiden, weil dann bereits die Police der Gesellschaft greifen müsste. I.d.R. ginge es dann also um dort nicht versicherte Ansprüche wie den Selbstbehalt oder über die Versicherungssumme der Gesellschaft hinausgehende Ansprüche. Mit einem Innenregress aus gesellschaftsrechtlichen Gesichtspunkten hätte der Versicherer aber ebenso wenig zu tun wie mit den arbeitsrechtlichen Ansprüchen einer Anwaltsgesellschaft gegen ihre Mitarbeiter, und zwar i.d.R. schon deshalb nicht, weil die persönliche Police des Anwalts gerade nicht die Tätigkeit für die Gesellschaft absichert, sondern ausdrücklich nur anwaltliche Tätigkeiten außerhalb der Kanzlei in Form von "Privatmandaten". Außerdem handelt es sich nicht um einen Regress aus dem Mandat mit dem geschädigten Mandanten, wenn diesem ggü. keine (gesamtschuldnerische) Haftung besteht. Dann geht es auch nicht um einen Innenausgleich aus diesem Gesamtschuldverhältnis, wie er zum Beispiel bei unterschiedlichen an der Mandatsbearbeitung beteiligten Kanzleien denkbar wäre, sondern um einen gesellschaftsrechtlichen oder arbeitsrechtlichen Anspruch nach den dort geltenden Regeln.