Rz. 47
Versichert ist nur das Risiko der Inanspruchnahme durch einen Dritten, wenn und soweit dieser einen Vermögensschaden erlitten hat. § 1 I Nr. 2 AVB definiert den Vermögensschaden lediglich negativ: Vermögensschäden sind danach solche Schäden, die weder Personenschäden (Tötung, Verletzung des Körpers oder Schädigung der Gesundheit von Menschen) noch Sachschäden (Beschädigung, Verderben, Vernichtung oder Abhandenkommen von Sachen, insb. auch von Geld und geldwerten Zeichen) sind, noch sich aus solchen von dem Versicherungsnehmer oder einer Person, für die er einzutreten hat, verursachten Schäden herleiten. Der Begriff des Vermögensschadens ist im Versicherungsrecht ganz offensichtlich ein anderer als im BGB. Aus § 253 BGB ergibt sich, dass das Gegenstück zum Vermögensschaden dort der immaterielle Schaden ist. Jede messbare Vermögenseinbuße hingegen wird als Vermögensschaden betrachtet, auch und insb. also jene Einbuße, die die Beschädigung oder Zerstörung einer Sache nach sich zieht. Haftpflichtversicherungen unterscheiden demgegenüber die Kategorien Sach-, Personen- und Vermögensschaden. Die Abgrenzung ist nicht immer ganz einfach. Das liegt v.a. daran, dass auch ein Vermögensschaden ein Sachschaden im versicherungsrechtlichen Sinne ist, wenn er sich aus einem Sachschaden herleitet.
Beispiel
Verdienstentgang des Geschädigten nach Verletzung durch Verkehrsunfall.
Die Eingruppierung kann deshalb nicht losgelöst von der Verletzungshandlung erfolgen. Es kommt stets darauf, welche Handlung der Geschädigte dem Versicherungsnehmer vorwirft und welche darauf beruhenden Schadensersatzansprüche geltend gemacht werden. Das ist konsequent, weil die Haftpflichtversicherungen nicht bestimmte Vermögensgüter des Versicherungsnehmers absichern, sondern gegen diesen gerichtete Forderungen. Bei der Frage nach dem Vermögensschaden kommt es daher darauf an, ob der Geschädigte geltend macht, dass der Versicherungsnehmer ihm durch die behauptete Pflichtverletzung ein Vermögensgut verletzt oder entzogen hat. Wird dagegen behauptet, die Handlung habe das Interesse an der Erhaltung einer Sache oder der körperlichen Integrität beeinträchtigt, liegt ein Sach- bzw. ein Personenschaden vor.
Rz. 48
Die Frage, ob es sich um einen gedeckten Vermögensschaden handelt, wenn dem Anwalt durch sein Verschulden eine Sache des Mandanten abhandenkommt, die als Beweismittel unersetzbar war, wurde in den Vorauflagen unterschiedlich beantwortet. Kann der Mandant seinen Anspruch durch Verlust dieses Beweismittels nicht mehr durchsetzen, hat er durch das Versehen des Anwalts zunächst einmal die Sache und erst als Folge hieraus die Forderung verloren. Deckung über die Vermögensschaden-Haftpflichtversicherung besteht daher nicht. In diese Richtung hat auch das LG München in folgendem Fall zur D&O-Versicherung entschieden:
Fallbeispiel
Vorwurf gegen das in Anspruch genommene Mitglied des Vorstands war hier, dass dieser entschieden hatte, eine zwar beschädigte, aber noch wirtschaftlich sinnvoll zu reparierende Maschine verschrotten zu lassen. Das Vorstandsmitglied habe sich keine ausreichende Kenntnis darüber verschafft, ob die Maschine hätte repariert werden können. Die Verschrottung sei zu schnell und zu gutgläubig erfolgt; der Schaden liege im Wert der Maschine nach einer fachgerechten Reparatur abzüglich der Reparatur- und der erzielten Verschrottungskosten.
Damit – so das LG – sah der Aufsichtsrat der klagenden Gesellschaft selbst den Schaden im Verlust der Maschine, also einer Sache. Gerade die Verursachung dieses Schadens werde dem Vorstandsmitglied vorgeworfen, weshalb die D&O-Versicherung als Vermögensschaden-Haftpflichtversicherung nicht eintrittspflichtig sei.
Rz. 49
Denkbar ist auch, dass die Verletzungshandlung des Anwalts den Verlust der Freiheit des Mandanten zur Folge hat. Wenn es ein Strafverteidiger versehentlich unterlässt, den Hauptverhandlungstermin für den Mandanten zu verlegen und dieser daher für mehrere Wochen in U-Haft kommt, hat die Pflichtverletzung die Beeinträchtigung der Freiheit des Mandanten, also einen Personenschaden, zur Folge. Erst hieraus können sich Vermögensschäden i.S.d. BGB (z.B. Verdienstausfall) ebenso wie immaterielle Schäden (Schmerzensgeld) ergeben. Teil B letzter Satz der AVB HV 60/06 sah eine partielle Deckungserweiterung für diesen speziellen Fall des Personenschadens vor, allerdings nur für (daraus resultierende) Vermögensschäden, nicht auch für immaterielle Schäden. Dieser Passus ist in der neuen Version HV 60/07 überflüssig geworden, weil mit § 15 AVB deutliche Deckungserweiterungen geschaffen wurden. Damit besteht jetzt Versicherungsschutz in bestimmtem Umfang für Sachschäden, für Datenschäden und eben auch für (sämtliche, auch immateriellen) Forderungen nach vom Anwalt schuldhaft verursachten freiheitsentziehenden Maßnahmen (siehe dazu i.E. Rdn 81 ff.).
Daneben können nach wie vor Sach- und Personenschäden über die Bürohaftpflichtversicherung (Teil 5 der AVB als optionale Z...