I. Adressaten des § 51 BRAO
Rz. 4
Die Versicherungspflicht des § 51 BRAO betrifft sämtliche Rechtsanwälte. Es kommt nicht darauf an, ob er Einzelanwalt ist oder mit anderen eine Sozietät oder Bürogemeinschaft bildet. Ebenso ist der Anwalt einer Partnerschaftsgesellschaft oder Rechtsanwalts-GmbH, der angestellte Anwalt oder freie Mitarbeiter verpflichtet, eine Berufshaftpflichtversicherung abzuschließen. Das Bestehen und der Nachweis einer Berufshaftpflichtversicherung ist gem. §§ 12 Abs. 2, 51 Abs. 1 BRAO Zulassungsvoraussetzung. Der Versicherer hat dem Versicherungsnehmer eine entsprechende Bescheinigung auszustellen, § 113 Abs. 2 VVG. Deshalb bleibt auch der Anwalt, der sich faktisch zur Ruhe gesetzt oder aus sonstigen Gründen tatsächlich nicht tätig ist, aber seine Zulassung nicht zurückgegeben hat, versicherungspflichtig. Die Versicherungspflicht besteht stets über die Mindestversicherungssumme.
Der Syndikus ist über § 46a Abs. 4 Nr. 1 BRAO von der Pflicht zum Nachweis einer Berufshaftpflichtversicherung befreit. Der Syndikusanwalt haftet als Angestellter seines Unternehmens, das er i.d.R. ausschließlich berät und vertritt, nach arbeitsrechtlichen Grundsätzen. Daher sah der Gesetzgeber keine Notwendigkeit zur Versicherungspflicht. Will ein Syndikusanwalt allerdings noch in Nebentätigkeit als Anwalt agieren, besteht insoweit auch die allgemeine Versicherungspflicht.
Rz. 5
Auch der ausländische Rechtsanwalt, der im Inland tätig ist (vgl. § 206 BRAO und § 7 EuRAG), muss eine Berufshaftpflichtversicherung abschließen, obwohl er keine Zulassung braucht. Insoweit ist die Aufnahme in die Rechtsanwaltskammer der Zulassung gleichzustellen. Der Schutz des Mandanten nötigt zu einer entsprechenden Anwendung des § 51 BRAO, wie sie § 7 EuRAG vorsieht.
Rz. 6
Neben Einzelpersonen kommen auch juristische Personen als Adressaten einer Versicherungspflicht und damit als Versicherungsnehmer einer entsprechenden Berufshaftpflichtversicherung in Betracht. Der Gesetzgeber hat dies für die Anwalts-GmbH in § 59j BRAO ausdrücklich so geregelt. Das gilt entsprechend für die nicht in Gesetzesform gegossene Rechtsanwalts-AG (siehe Rdn 32). Die PartGmbB untersteht keiner Versicherungspflicht in dem Sinne, dass der Nachweis einer Versicherungspflicht Zulassungsvoraussetzung wäre. Das "Unterhalten" einer Versicherung ist aber Voraussetzung für die Haftungsbeschränkung, § 8 Abs. 4 Satz 1 PartGG. Außerdem gelten die Regelungen über die Pflichtversicherung in weiten Bereichen gem. § 8 Abs. 4 Satz 2 PartGG entsprechend (Rdn 24).
II. Sozienklausel
1. Grundsätze
Rz. 7
I.R.d. sog. Sozienklausel (§ 12 AVB) wird Deckungsschutz für alle Sozien zusammen mit einer einheitlichen Durchschnittsleistung vereinbart. Damit wird dafür gesorgt, dass die in einer Kanzlei – welchen Zuschnitts und Organisation auch immer – bestehenden Risiken gleichmäßig auf alle Berufsträger und deren Versicherer verteilt werden. Außerdem vermeidet man unnötige kanzleiinterne Auseinandersetzungen und Streit zwischen den Versicherern darüber, wer letztlich den Schaden verursacht hat. Schlussendlich wirkt die Sozienklausel auch als Kumulsperre, indem nicht jeder Anwalt über seine gesamtschuldnerische Haftung den für ihn bestehenden vollen Versicherungsschutz abrufen und damit zu einer Vervielfachung der Versicherungssummen kommen könnte.
Rz. 8
Bei der Anwendung der Sozienklausel wird in einem ersten Schritt geprüft, welche Versicherungsleistung für jeden einzelnen Sozius zur Verfügung stehen würde, wenn man dessen Versicherungsschutz isoliert betrachtet. Anschließend wird aus den – möglicherweise unterschiedlichen – Versicherungsleistungen das arithmetische Mittel berechnet. Unterschiedlich hohe Deckungssummen verschiedener Sozien einer Kanzlei können sich deshalb auch dann für die Versicherungsnehmer ungünstig auswirken, wenn der das Mandat tatsächlich bearbeitende Anwalt an sich ausreichend versichert ist. Deckungslücken ergeben sich, wenn die Höhe des Schadens über der Summe der niedrigsten Deckung liegt.
Rz. 9
Beispiel
Hat in einer aus drei Rechtsanwälten bestehenden Sozietät Sozius A eine Versicherungssumme von 250.000,00 EUR, Sozius B eine solche von 500.000,00 EUR und Sozius C eine von 1.000.000,00 EUR, und unterläuft nun einem Sozius (gleichgültig welchem) ein Berufsversehen, das einen Schaden von 700.000,00 EUR zur Folge hat, ergibt sich folgende Berechnung der Versicherungsleistung:
Für Sozius A hätte der Versicherer die vereinbarte Versicherungssumme von 250.000,00 EUR voll zur Verfügung zu stellen. So hoch wäre die Deckung für A, wenn die Versicherung allein für ihn ("ohne Sozius zu sein") eintreten müsste. Für Sozius B wä...