Rz. 56
§ 4 AVB bestimmt, was als Ausnahme vom Grundsatz der Leistungspflicht des Versicherers nach § 3 II Nr. 1 AVB auch beim grds. gedeckten Tätigkeitsbereich nicht vom Versicherungsschutz umfasst sein soll. Es handelt sich um echte Risikoausschlüsse und nicht um verhüllte Obliegenheiten. Der Unterschied ist für die Rechtsanwendung bedeutsam. Ist der objektive Tatbestand eines Risikoausschlusses erfüllt, kommt es auf Weiteres, insb. auf ein Verschulden des Versicherungsnehmers nicht mehr an. Demgegenüber sind auf verhüllte Obliegenheiten die Regeln des § 28 VVG anwendbar, die in einigen Fällen doch noch zum Versicherungsschutz führen. Bei vor Eintritt des Versicherungsfalls zu erfüllenden Obliegenheiten müsste der Versicherer gekündigt haben, wenn er sich auf Leistungsfreiheit berufen will, § 28 Abs. 1 VVG. Als Risikoausschluss und nicht als verhüllte Obliegenheit ist insb. auch der Leistungsausschluss wegen wissentlicher Pflichtverletzung, § 4 Nr. 5 AVB, anzusehen (siehe Rdn 74). Wegen ihres Ausnahmecharakters sind Ausschlussklauseln nach ständiger Rechtsprechung eng auszulegen unter Beachtung ihres angestrebten wirtschaftlichen Zwecks und Sinngehalts. Die Beweislast für das Vorliegen eines Ausschlusstatbestandes trifft nach den allgemeinen Regeln grds. den Versicherer.
Die einzelnen Ausschlussgründe sind für die unterschiedlichen Berufsgruppen nicht immer gleichlaufend. Daher ist die nähere Ausgestaltung jeweils den Besonderen Bedingungen zu entnehmen, für Anwälte also dem Teil 2 A Nr. 2 AVB.
1. Schäden mit Auslandsbezug
Rz. 57
Die Ausschlussklausel des § 4 Nr. 1 AVB erfasst nicht:
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Haftpflichtansprüche des Mandanten aus Fehlern bei der Beratung zum deutschen Recht, auch wenn der Pflichtverstoß im Ausland begangen worden ist, |
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Haftpflichtansprüche, die aus der Verletzung europäischen Rechts herrühren, auch soweit sie vor ausländischen Gerichten geltend gemacht werden. |
Teil 2 A Nr. 2.1 AVB greift auch nicht schon deshalb ein, weil etwa Vermögensschäden im Ausland entstanden sind, sondern nur, wenn ein Büro oder eine Kanzlei im Ausland unterhalten wird.
Rz. 58
Die Ausschlussklausel des Teil 2 A Nr. 2.1 a AVB erfasst solche Schäden, die auf einer Tätigkeit des Anwalts im Ausland beruhen, soweit diese Tätigkeit über in anderen Staaten eingerichtete oder unterhaltene Kanzleien oder Büros ausgeübt wird; die bloße Tätigkeit im Ausland ist dagegen in den Versicherungsschutz einbezogen. Ferner sind Schäden ausgeschlossen, die durch eine Tätigkeit im Zusammenhang mit der Beratung und Beschäftigung mit außereuropäischem Recht entstanden sind. Der Zusammenhang ist aber nur hergestellt, wenn die Beschäftigung mit dem außereuropäischen Recht in irgendeinem Kausalzusammenhang zu dem Schaden steht. Nicht versichert ist also die Beratung im und die Beschäftigung mit außereuropäischem Recht. Das beinhaltet die Fälle aktiver und bewusster Beratung. Wenn der Vorwurf aber gerade dahin geht, dass die Anwendbarkeit außereuropäischen Rechts übersehen wurde, obwohl dies relevant gewesen wäre, greift der Ausschluss nicht. Internationale Übereinkommen, die ins deutsche Recht inkorporiert sind (z.B. Haager Kindschutzübereinkommen), gelten selbstverständlich als deutsches Recht, auch wenn sie in Staaten ratifiziert sind, die nicht zu Europa gehören.
Ausgeschlossen sind Schäden, die durch eine Tätigkeit vor außereuropäischen Gerichten entstanden sind, unabhängig davon, welches Recht bei dieser Tätigkeit angewandt wurde. Diller weist zu Teil 2 A Nr. 2.1. Buchst. a) AVB zu Recht darauf hin, dass sich weder der Unterschied zwischen eingerichtet und unterhalten noch zwischen Büro und Kanzlei erschließt. Diese Begriffe wird man also synonym verstehen müssen. Der Ausschluss wird nur dann relevant, wenn die Tätigkeit "über" ein ausländisches Büro erfolgt. Daraus wird z.T. geschlossen, dass der Anwalt, der in Deutschland seine Kanzlei hat, seinen Mandanten zwar im Hotel in Paris mit Versicherungsschutz beraten würde, nicht aber im Büro der internationalen Sozietät in Brüssel. So allerdings ist die Klausel wohl nicht zu verstehen. Es geht vielmehr darum, dass deutsche Policen nicht Deckungsschutz bieten für die Tätigkeit von (auch) in Deutschland zugelassenen Anwälten, die aber in ausländischen Büros (ständig oder überwiegend) arbeiten und dort insb. auch als Mitarbeiter des ausländischen Büros auf dem Briefkopf erwähnt werden. Erfolgt die Mandatsbearbeitung aber über das deutsche Büro und werden im ausländischen Büro lediglich einzelne Besprechungen u.Ä. durchgeführt, verliert der Versicherungsnehmer deshalb nicht den Versicherungsschutz.
Europäisches Recht betrifft das Recht der Länder, die zumindest auch innerhalb der geographischen Grenzen Europas, also nicht nur der EU-Länder, ...