Rz. 146

Es ist umstritten, ob sich ein auf Leistung in Anspruch genommener Versicherer auch dann noch mit Erfolg im Prozess auf Obliegenheitsverletzungen berufen kann, wenn er diesen Grund der Leistungsfreiheit nicht schon in seinem Ablehnungsbescheid oder jedenfalls sofort zu Beginn des gerichtlichen Verfahrens geltend gemacht hat.[325] Höchstrichterlich ist diese Frage noch nicht entschieden. Auszugehen ist davon, dass der Versicherer Leistungsfreiheit geltend zu machen berechtigt ist, wenn dazu die tatbestandlichen Voraussetzungen vorliegen. Dieses Recht kann er nicht dadurch verlieren, dass über seine Leistungspflicht ein Prozess geführt wird. Nur wenn die auch sonst heranzuziehenden Gründe eines Rechtsverlusts vorliegen, ist es dem Versicherer verwehrt, sich auf Gründe der Leistungsfreiheit zu berufen, die er erstmals vorbringt. Als ein solcher Grund kommt der Verzicht in Betracht. Dann muss ein zumindest konkludent erklärter Verzichtswille festgestellt werden. Weiter kann Verwirkung eingetreten sein, wenn der Versicherungsnehmer aufgrund konkreter Umstände nach Treu und Glauben davon ausgehen durfte, der Versicherer werde diesen Grund der Leistungsfreiheit nicht mehr ins Feld führen.[326] Liegen solche festzustellenden Gründe nicht vor, ist der Versicherer nicht gehindert, auch zu einem späteren Zeitpunkt, ggf. auch noch in der zweiten Instanz, neue Gründe für seine Leistungsfreiheit geltend zu machen.

[325] Vgl. OLG Düsseldorf, 4.8.1992 – 4 U 30/92, VersR 1993, 425; OLG Köln, 12.4.1994 – 9 U 17/94, VersR 1994, 1183.
[326] OLG Hamm, 14.7.1993 – 20 U 79/93, r + s 1994, 229.

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