Rz. 97

Nach Abschluss eines anderweitigen Arbeitsvertrages durch den Arbeitgeber ist der Anspruch des Arbeitnehmers auf Abschluss eines Änderungsvertrages erloschen, da der maßgebliche Arbeitsplatz nicht mehr frei ist (vgl. oben Rn 74 f.). Der Arbeitnehmer hat somit nur noch Anspruch auf Schadenersatz.

 

Rz. 98

Dabei ist materiell wie prozessual danach zu differenzieren, für welche Zeiträume noch eine Naturalrestitution in Betracht kommt und für welche Zeiträume nicht mehr, so dass diesbezüglich dann Schadenersatz in Geld zu verlangen ist.

 

Rz. 99

Für die Vergangenheit, ggfs. auch für die nahe Zukunft kommt eine Naturalrestitution nicht mehr in Betracht. Die Arbeitsleistung ist eine Fixleistung; es ist deshalb nicht möglich, einen Arbeitnehmer rückwirkend tatsächlich in ein Arbeitsverhältnis einzusetzen. Vergleichsweise einfach lässt sich für diesen Zeitraum der Differenzlohn als Schadenersatz einklagen, und zwar – wie bei nahezu jeder Lohnklage – als Bruttolohnklage. Ein entsprechender Antrag könnte also lauten:

 

Rz. 100

 

Formulierungsbeispiel

Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin für die Zeit vom […] bis zum […] ­insgesamt […] EUR brutto (gleich Gehalt der Vollzeitarbeitsstelle) abzüglich […] EUR (Bruttogehalt der Teilzeitarbeitsstelle) nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 % über dem jeweiligen Basiszinssatz zu zahlen, und zwar aus […] EUR seit dem […] [usw.].

 

Rz. 101

Schwieriger ist der Schadenersatz für die Zukunft. Unterstellt man, dass insoweit Schadenersatz primär im Wege der Naturalrestitution zu leisten ist (§ 249 Abs. 1 BGB), so stellt sich das Problem, dass der Arbeitnehmer trotz des erforderlichen Tatbestandsmerkmals der "freien" Stelle auf die Besetzung einer Stelle klagen müsste, die aktuell gar nicht frei ist. Diesen Anspruch zu erfüllen, ist unmöglich. Andererseits wäre die Klage in dem Augenblick, in dem die Stelle tatsächlich frei wird, nicht mehr aus Schadenersatzerwägungen, sondern als primärer Erfüllungsanspruch aus § 9 TzBfG begründet.

 

Rz. 102

Nach dem bisherigen Recht nützte dem Arbeitnehmer eine denkbare bedingte Klage auf Vertragsschluss und Beschäftigung auf dem fraglichen Arbeitsplatz nicht wirklich, denn er hätte im Falle der Vollstreckung die Voraussetzung für den Bedingungseintritt nachzuweisen gehabt. Es lag deshalb nahe, wie auch sonst im Schadenersatzrecht die künftigen Ansprüche im Wege der Feststellungs- statt der Leistungsklage geltend zu machen. Sie stehen im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung dem Grunde nach bereits fest, nicht jedoch der Höhe nach. Für diese Fälle ist anerkannt, dass der Vorrang der Leistungsklage gegenüber der Feststellungsklage ausnahmsweise nicht entgegensteht, da die Leistungsklage nicht zum Ziel führen kann.[74]

 

Rz. 103

Durch die Novellierung des Gesetzes und die Verlagerung der Beweislast auch für den Aspekt des freien (oder eben nicht freien) Arbeitsplatzes auf den Arbeitgeber hat sich die prozessuale Situation etwas geändert. Der Arbeitnehmer läuft nicht mehr Gefahr, dass seine Vollstreckung aus dem Beschäftigungstenor an der Nichterweislichkeit der freien Stelle scheitert.

 

Rz. 104

Deshalb dürfte sich nunmehr anbieten, den Antrag auf Abgabe der Willenserklärung unmittelbar mit dem nachrangigen Schadenersatzanspruch in Geld zu kombinieren und den bislang ratsamen Feststellungsantrag[75] wegzulassen, auf Basis dessen festgestellt werden sollte, dass der Arbeitgeber verpflichtet ist, das näher bezeichnete Angebot des Klägers anzunehmen. Die Klageanträge könnten nun unter Einbeziehung der Formulierungsvorschläge oben Rdn 98 und Rdn 100 lauten:

 

Rz. 105

 

Formulierungsbeispiel

1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin für die Zeit vom bis zum […] ­insgesamt […] EUR brutto (gleich Gehalt der Vollzeitarbeitsstelle) abzüglich […] EUR (Bruttogehalt der Teilzeitarbeitsstelle) nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 % über dem jeweiligen Basiszinssatz zu zahlen, und zwar aus […] EUR seit dem […] (usw.).
2. Die Beklagte wird verurteilt, das Angebot der Klägerin auf Abschluss eines Änderungsvertrages vom […] anzunehmen, mit dem die vertraglich vereinbarte Arbeitszeit der Klägerin auf […] Stunden je Woche verlängert [und ihr der Arbeitsplatz als […] zugewiesen] wird.
3. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin für jeden Monat, beginnend mit dem Tag, der auf die mündliche Verhandlung folgt, […] EUR brutto (Arbeitsentgelt der Vollzeitstelle) abzüglich […] EUR brutto (Arbeitsentgelt auf der bislang ausgeübten Teilzeitstelle) zu zahlen, und zwar spätestens bis zum ersten des auf den jeweiligen Bezugsmonat folgenden Kalendermonats, solange die Beklagte nicht ihre Pflicht aus dem Urteilstenor zu 2 erfüllt. Für anteilige Kalendermonate besteht der Anspruch zeitanteilig.
 

Rz. 106

Bei der gegebenen Antragsformulierung könnte der Arbeitnehmer die monetäre Schadenersatzverpflichtung auch zukünftig vollstrecken. Es obläge dem Arbeitgeber, gegen diese Schadenersatzverpflichtung die Erfüllung der festgestellten Pflicht einzuwenden.

[74] Siehe dazu die Vorauflage § 16 Rn 67.
[...

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