Rz. 21
Eine ärztliche Fahreignungsbegutachtung dient der Beurteilung, ob sich durch die individuelle körperliche und geistige Ausstattung (unter Berücksichtigung der individuellen Fähigkeit zur Kompensation von vorliegenden Gesundheitsstörungen) Beeinträchtigungen der Fahreignung mit Bezug auf die allgemeinen Anforderungen an den öffentlichen Straßenverkehr ergeben. Der begutachtende Arzt nutzt dabei seine Sachkenntnis über Zusammenhänge zwischen Krankheitsbildern, akuter Symptomatik, Verlaufsformen, kurativen oder statuserhaltenden Maßnahmen sowie individuellen Kompensationsmöglichkeiten.
Rz. 22
Überprüft wird dabei allerdings nicht nur die Grunderkrankung, sondern auch der mögliche Einfluss der verordneten Medikation. Besondere Bedeutung kommt hierbei den sogenannten Psychopharmaka zu. Dies steht auch in den Begutachtungsleitlinien festgeschrieben:
Zitat
"Werden Krankheiten und Krankheitssymptome mit höheren Dosen psychoaktiver Arzneimittel behandelt, so können unter Umständen Auswirkungen auf das sichere Führen von Kraftfahrzeugen erwartet werden, und zwar unabhängig davon, ob das Grundleiden sich noch auf die Anpassungs- und Leistungsfähigkeit eines Betroffenen auswirkt oder nicht."
Rz. 23
Aber auch andere Arzneimittel können einen negativen Einfluss auf das Reaktionsvermögen, die Leistungsfähigkeit und somit die Fahreignung haben. Dazu zählen u.a.:
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Hypnotika und Sedativa (Zopiclon, Diazepam und Abkömmlinge), |
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Antidepressiva, |
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Neuroleptika, |
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Antihistaminika, |
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zentral wirksame Analgetika, |
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Blutdruckmedikamente, |
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Antiparkinson-Medikamente, |
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Antiepileptika. |
Rz. 24
Schätzungen gehen davon aus, dass rund 5 % aller Arzneimittel einen Einfluss auf die Fahrtüchtigkeit haben, vor allem durch das Herabsetzen der Reaktionsfähigkeit. Als besonders problematische Behandlungszeitpunkte werden dabei der Medikationsbeginn sowie Dosisänderungen angesehen. Zudem können bei Mehrfachmedikation unerwartete Neben- oder Wechselwirkungen auftreten, die ebenfalls die Fahreignung beeinträchtigen können. Dieses Risiko besteht auch bei Medikamenten, die, sofern als einziges Medikament eingenommen, keinen nennenswerten Einfluss auf das Leistungsvermögen oder die Reaktionsfähigkeit haben.
Rz. 25
Hier kommt dem behandelnden Arzt eine bedeutende Rolle in Bezug auf die Information und Aufklärung des Patienten zu. Zur Absicherung des Arztes sollte dies stets schriftlich in der Patientenakte fixiert werden. Unterlässt der Arzt eine entsprechende Aufklärung, kann er im Falle eines Unfalls haftbar gemacht werden.
Rz. 26
Der Arzt unterliegt dabei generell der Schweigepflicht Dritten gegenüber. Hat er aufgrund des erhöhten Risikos die Empfehlung zur Nichtteilnahme am Straßenverkehr ausgesprochen, an die sich ein uneinsichtiger Patient jedoch nicht hält, kann der Arzt im Einzelfall dennoch die Fahrerlaubnisbehörde oder im Rahmen von Gefahr in Verzug die Polizei informieren. Dazu bedarf es allerdings eines rechtfertigenden Notstandes (gemäß § 34 StGB). Weiterführende Informationen hierzu finden sich in dem Buch "Arzthaftung bei problematischer Fahreignung".