Dr. Gudrun Doering-Striening
Rz. 26
Für vermögensrechtliche Vollmachten ist man sich einig darüber, dass eine Vollmacht unter einer Bedingung praxisuntauglich ist, weil der Dritte den Eintritt der Bedingung in der Regel nicht prüfen kann. Deshalb muss angeordnet werden, dass die Vollmacht im Außenverhältnis unabhängig von der Regelung im Innenverhältnis unbedingt – also ohne Bedingung – erteilt wird.
Die auf dem Markt befindlichen Muster nehmen dies für Gesundheits-/Krankheitsvollmachten häufig nicht auf, sondern machen die Erteilung der Vollmacht von der Einwilligungsfähigkeit oder den Tatbestandsmerkmalen des § 1914 BGB (§ 1896 BGB a.F.) abhängig. Fraglich ist, ob man tatsächlich nach der Art der erteilten Vollmacht differenzieren sollte.
Rz. 27
Dafür spricht, dass bezüglich aller persönlicher Entscheidungen über Körper und Leben der Grundsatz gilt, dass einwilligungsfähige Vollmachtgeber immer und uneingeschränkt selbst über sich, ihren Körper, ihr Leben und ihre Freiheit entscheiden und dieses Recht unverzichtbar ist. Es entspricht der Rechtsprechung des BVerfG, dass z.B. die Zulässigkeit, Erforderlichkeit und Angemessenheit der Einwilligung des Bevollmächtigten in eine Freiheitsbeschränkungen nach § 1831 BGB (§ 1906 BGB a.F.) richtigerweise unter dem Vorbehalt eines gerichtliches Genehmigungserfordernis steht.
Hinweis
Man kann den Vorrang der Einwilligungsfähigkeit des Vollmachtgebers und die Genehmigungserfordernisse der §§ 1829, 1831, 1832 BGB (§§ 1904, 1906, 1906a BGB a.F.) BGB im Außenverhältnis wie im Innenverhältnis nicht durch eine im Außenverhältnis unbedingte (Vorsorge-)vollmacht mit entsprechenden Anweisungen an den Vorsorgebevollmächtigten aushebeln.
Rz. 28
Andererseits ist eine Formulierung wie: "die Vollmacht soll nur dann gelten, wenn der Vollmachtgeber aufgrund seines gesundheitlichen Zustands nicht mehr in der Lage sein sollte, Folgen und Tragweite von Untersuchungen des Gesundheitszustandes, Heilbehandlungen und ärztlichen Eingriffen zu erkennen und den Willen danach zu bestimmen" oder die Übernahme der Tatbestandsvoraussetzungen des § 1814 BGB (§ 1896 BGB a.F.) nicht unproblematisch, nämlich z.B. dann, wenn die Gesundheitsvollmacht gleichzeitig zu einer Vielzahl anderer Dinge ermächtigt, etwa zum Abschluss von Behandlungs- und Pflegeverträgen und anderen Rechtsgeschäften. Die Problematik zeigt sich schon darin, dass solche Tatbestandsvoraussetzungen mit der nächsten Gesetzesänderung wie jetzt im Rahmen der Reform des Betreuungsrechts mit einem Federstrich geändert werden können.
Rz. 29
Bei einer solchen Formulierung muss die Einwilligungsfähigkeit bzw. die Geschäftsunfähigkeit des Vollmachtgebers dann nämlich immer auch im Außenverhältnis im Vollbeweis feststehen. Das macht die Vollmacht für rechtsgeschäftliches Handeln nahezu unausführbar. Die Frage "Ab wann steht fest, dass der Vollmachtgeber selbst nicht mehr handeln kann, und auf welchem Wege und mit welchen Mitteln wird das festgestellt?" ist schon im Innenverhältnis kaum lösbar. Soll der Bevollmächtigte das mit Hilfe eines Sachverständigen tun? Soll er – mit entsprechendem Haftungsrisiko – selbst entscheiden? Typisch ist doch, dass der betroffene Vollmachtgeber in der fraglichen Situation selbst nicht einsieht und wohl auch nicht einsehen kann, dass die Voraussetzungen für ein Handeln des Bevollmächtigten gegeben sind. M.E. nach besteht der Schutz des Betroffenen auf der Ebene des unverzichtbaren Gesprächs nach § 1828 BGB ("therapeutisches Arbeitsbündnis" = § 1901b BGB a.F.) und der betreuungsgerichtlichen Genehmigungspflicht der Maßnahmen nach §§ 1829, 1831, 1832 BGB (§§ 1904, 1906, 1906a BGB a.F.); hier wird letztlich entschieden, ob die Voraussetzungen für ein Handeln vorliegen.
Rz. 30
Fazit
Es sollte daher – zumindest in Generalvollmachten – dabei bleiben, dass auch in höchstpersönlichen Angelegenheiten einheitlich für alle darunter fallenden Angelegenheiten eine unbedingte Vollmacht nach außen formuliert wird, die zwingend mit einer Beschränkung im Innenverhältnis einhergeht und dem deutlichen Hinweis auf die betreuungsgerichtlichen Genehmigungspflichten und die Konsequenzen eines Verstoßes gegen diese Genehmigungspflicht.
Soll ausschließlich eine Vollmacht für die Entscheidung in gesundheitlichen und freiheitsentziehenden Maßnahmen (inkl. Zwangsbehandlung) erteilt werden, dann macht es ggf. Sinn, auch im Außenverhältnis auf die Einwilligungsunfähigkeit des Vollmachtgebers abzustellen und im Innenverhältnis zu regeln, wie diese festgestellt werden soll.