Dr. Gudrun Doering-Striening
Rz. 35
Es bedarf im Grundsatz einer betreuungsgerichtlichen Entscheidung nach § 1829 Abs. 1 und 5 BGB (§ 1904 Abs. 1 BGB a.F.), wenn es sich um eine Einwilligung in eine Untersuchung des Gesundheitszustandes, eine Heilbehandlung oder einen ärztlichen Eingriff handelt, bei dem die begründete Gefahr besteht, dass der Betreute/Vollmachtgeber aufgrund der Maßnahme stirbt oder einen schweren und längerdauernden gesundheitlichen Schaden erleidet. Ohne die Genehmigung ist die Durchführung der Maßnahme nur erlaubt, wenn mit dem Aufschub der Maßnahme Gefahr verbunden ist.
Rz. 36
Die Nichteinwilligung oder der Widerruf der Einwilligung des Betreuers/Bevollmächtigten in eine Untersuchung des Gesundheitszustandes, eine Heilbehandlung oder einen ärztlichen Eingriff bedürfen nach § 1829 Abs. 2 und 5 BGB (§ 1904 Abs. 2 BGB a.F.) ebenfalls einer solchen Genehmigung. Dazu muss die Maßnahme medizinisch angezeigt sein und die begründete Gefahr bestehen, dass der Betreute/Vollmachtgeber aufgrund des Unterbleibens oder des Abbruches der Maßnahme stirbt oder einen schweren und länger andauernden gesundheitlichen Schaden erleidet.
Die betreuungsgerichtliche Genehmigung ist nur dann nicht erforderlich, wenn zwischen Betreuer/Bevollmächtigtem und behandelndem Arzt Einvernehmen darüber besteht, dass die Erteilung, die Nichterteilung oder der Widerruf der Einwilligung dem nach § 1828 BGB (§ 1901a BGB a.F.) festgestellten Willen des Betreuten/Vollmachtgebers entspricht § 1829 Abs. 4 und 5 BGB (§ 1904 Abs. 4, 5 BGB a.F.).
a) Die Untersuchung des Gesundheitszustands
Rz. 37
Unter dem Tatbestandsmerkmal Untersuchung des Gesundheitszustandes ist jedes diagnostische Verfahren zu verstehen, gleichgültig, ob es mit einem körperlichen Eingriff verbunden ist oder nicht. Dazu gehören einfache Funktionsprüfungen ebenso wie physikalische, chemische, bakteriologische, virologische wie immunologische Analysen. Mit einem Eingriff verbundene Analysen sind z.B.:
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Endoskopie |
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Katheterisierung |
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Punktionen zur Entnahme von Körperflüssigkeiten wie
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Gelenkflüssigkeit (Synovia) |
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Hirnwasser (Lumbalpunktion) |
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Peritonealflüssigkeit |
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Pleuraflüssigkeit (Pleurapunktion) |
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Knochenmark (Knochenmarkpunktion) |
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Suprapubische Blasenpunktion |
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Punktionen zur Entnahme von Gewebsproben (Feinnadelbiopsie). |
b) Die Heilbehandlung
Rz. 38
Heilbehandlungen sind Maßnahmen jeglicher Art (auch die von nichtärztlichen Heilberufen durchgeführten Maßnahmen), die auf Herstellung der Gesundheit, Linderung der Krankheit, Beseitigung oder Linderung von Krankheitsfolgen sowie Verhütung von Krankheiten und ihrer Verschlimmerung gerichtet sind, wozu auch alternative Behandlungsmethoden jeglicher Art gezählt werden können. Zur Heilbehandlung gehören nicht nur die diversen operativen Eingriffe, sondern auch die dazu erforderliche Anästhesie.
Rz. 39
Auch die Behandlung mit Medikamenten ist Heilbehandlung und unterfällt dem Grunde nach § 1829 BGB (§ 1904 BGB a.F.) Jede medikamentöse Behandlung bedarf daher nicht nur der Einwilligung des Betroffenen oder seines Vertreters. (§ 630d BGB: "es sei denn, eine Patientenverfügung gestattet die Maßnahme oder untersagt sie"), sondern ist auch immer daraufhin zu überprüfen, ob eine zusätzliche Genehmigungsverpflichtung besteht.
Rz. 40
Soweit die Verabreichung von Medikamenten auf die Ruhigstellung des Patienten oder der Muskelrelaxation zum Zwecke der Beweglichkeitseinschränkung gerichtet ist und nicht als unvermeidliche Nebenwirkung einer notwendigen Therapie erzeugt wird, stellt sie sich als freiheitsentziehende Maßnahme dar und dient nicht mehr der Heilbehandlung. Sie ist ein ärztlicher Eingriff i.S.d. § 1904 BGB oder ggf. eine Maßnahme nach § 1906 BGB.
c) Der ärztliche Eingriff
Rz. 41
Ärztliche Eingriffe sind Maßnahmen, die nicht dem Begriff der Heilbehandlung unterfallen, aber mit einer Beeinträchtigung der körperlichen Integrität einhergehen. Sie dienen nicht kurativen Zwecken. Ob die Anwendung einer Ernährungssonde (PEG) Basisversorgung oder medizinischer Eingriff ist, kann man ebenso streitig diskutieren wie die Frage, um was für eine Rechtsqualität es sich beim Abbruch einer solchen Ernährung handelt. Das OLG München hält "die Zuführung von Nährstoffen über eine PEG-Sonde bei einem Patienten, der infolge schwerer und irreversibler zerebraler Schäden auf natürlichem Wege trotz Hilfeleistung keine Nahrung mehr zu sich nehmen kann, für einen widernatürlicher Eingriff in den normalen Verlauf des Lebens, zu dem auch das Sterben gehört", ohne dass der BGH dies in seiner Revisionsentscheidung ausdrücklich beanstandet hätte. Auf jeden Fall wird die künstliche Ernährung aufgrund einer medizinischen Indikation angewendet und bedarf eines ärztlichen Eingriffs: "Die Beibehaltung einer Magensonde und die mit ihrer Hilfe ermöglic...