Dr. Gudrun Doering-Striening
Rz. 62
Auch die Unterbringung eines Patienten ist dem Bevollmächtigten/Betreuer nur mit Genehmigung des Betreuungsgerichtes erlaubt und nur, wenn und solange die Unterbringung nach § 1832 Abs. 2 S. 1 BGB (§ 1906 Abs. 2 S. 1 BGB a.F.) zulässig ist. Es reicht also zum Vollzug einer solchen Maßnahme nicht aus, dass eine Vorsorgevollmacht erteilt oder das Aufenthaltsbestimmungsrecht übertragen wurde. Etwas anderes gilt nur dann, wenn mit dem Aufschub der Maßnahme Gefahr verbunden ist. Dann muss die Einholung der Genehmigung unverzüglich nachgeholt werden.
Rz. 63
Auch wenn der Vollmachtgeber mit gerichtlicher Genehmigung untergebracht ist, ist z.B. nach § 1931 BGB (§ 1906 BGB a.F.) eine weitere gerichtliche Genehmigung erforderlich, wenn ihm durch freiheitsentziehende Maßnahmen wie Bettgitter, Stecktische, Festbinden, komplizierte Türschließeinrichtungen oder sedierende Medikamente über einen längeren Zeitraum oder regelmäßig zusätzlich die Freiheit entzogen werden soll.
Hinweis
Auf das Erfordernis einer zusätzlichen betreuungsgerichtlichen Genehmigung im Sinne von § 1831 BGB (§ 1906 BGB a.F.) kann durch individuelle Vorsorgevollmacht aufgrund des staatlichen Schutzauftrages nicht vorab wirksam verzichtet werden.
Die in § 1831 Abs. 5 und 2 BGB (§ 1906 Abs. 5 und 2 BGB a.F.) festgeschriebene Verpflichtung, vor zusätzlichen Freiheitsbeschränkungen trotz Einwilligung der durch Vorsorgevollmacht Bevollmächtigten eine gerichtliche Genehmigung der Einwilligung einholen zu müssen, greift zwar in das Selbstbestimmungsrecht des Vollmachtgebers aus Art. 2 Abs. 1 GG ein. Das Recht auf Selbstbestimmung wird jedoch nicht uneingeschränkt, sondern nur im Rahmen der verfassungsmäßigen Ordnung gewährleistet. Bestandteil dieser verfassungsmäßigen Ordnung ist jede Rechtsnorm, die formell und materiell der Verfassung gemäß ist.
Die Einzelheiten einer Genehmigung von freiheitsentziehender Unterbringung und Maßnahmen sowie der ärztlichen Zwangsbehandlung können aus Platzgründen hier nicht weiter vertieft werden.
Rz. 64
Ohne weiteres offenkundig ist die Schnittstelle zur Patientenverfügung aber bei der ärztlichen Zwangsmaßnahme nach § 1832 BGB = ärztliche Behandlung gegen den natürlichen Willen ohne Einsichts- und Steuerungsfähigkeit (§ 1906 BGB a.F.), weil ein Betreuer/Bevollmächtigter in eine ärztliche Zwangsmaßnahme überhaupt nur dann einwilligen kann, wenn die ärztliche Zwangsmaßnahme dem nach § 1827 BGB zu beachtenden Willen des Betreuten entspricht. Gemeint ist damit der in der Patientenverfügung geäußerte tatsächliche Wille ebenso wie der mutmaßliche Wille des Betreuten. Schutzpflichten gegenüber einem Betroffenen selbst (und ausschließlich zu seinem eigenen Schutz) können eine Zwangsbehandlung demnach grundsätzlich nicht rechtfertigen, wenn dieser eine solche Behandlung im Zustand der Einsichtsfähigkeit ausgeschlossen hat.
Für den Vollmachtgeber gilt nach § 1832 Abs. 5 BGB nichts anderes. In eine ambulante Zwangsmaßnahme kann er gar nicht einwilligen, weil sie für ambulante Maßnahmen ausdrücklich unzulässig ist.
Rz. 65
Die typische Schnittstelle zu § 1829 BGB (§ 1904 BGB a.F.) liegt bei der Gabe von Medikamenten. Die Anwendung von Medikamenten zu Heilzwecken oder aus therapeutischen Gründen fällt nicht unter § 1831 Abs. 4 BGB (§ 1906 Abs. 4 BGB a.F.), aber alle anderen Maßnahmen, bei denen es darum geht, die Freiheit eines anderen zu begrenzen. Die beabsichtigte Freiheitsentziehung durch Medikamente unterfällt daher § 1831 BGB (§ 1906 BGB a.F.).
Hinweis
Die Verabreichung von Medikamenten ohne eine Einwilligung ist rechtswidrig. Einzelne Untergerichte hatten bisher entschieden, dass eine heimliche Verabreichung von Medikamenten eine Zwangsmaßnahme darstelle, weil sich an dem Charakter als Zwangsmaßnahme nichts dadurch ändere, dass die Medikamente verdeckt verabreicht würden und dadurch der natürliche Wille des Patienten übergangen werde.
Das BVerfG konnte sich zu einer solchen Positionierung nicht entscheiden. § 1906a BGB a.F. (jetzt § 1832 BGB) enthalte Auslegungsspielräume, zu der sich eine eindeutige fachgerichtliche, zumal höchstrichterliche Rechtsprechung noch nicht herausgebildet habe. Diese müsse sich aber zu der Frage erklären, ob das Merkmal der "Zwangsmaßnahme" in § 1906a BGB a.F. nur Fälle körperlichen Zwangs oder auch Fälle der Heimlichkeit – wie bei der heimlichen Beimischung von Medikamenten in Speisen und Getränken – umfasse. Weiter sei fachgerichtlich ungeklärt, ob eine Heilbehandlung notwendigerweise dem natürlichen Willen des Betreuten i.S.d. § 1906a Abs. 1 S 1 a.F. BGB widerspreche, wenn Medikamente unter das Essen gemischt würden, damit dies dem Betroffenen verborgen bleibe. Denn ein entgegenstehender natürlicher Wille – so das BVerfG – liege nur und erst dann vor, wenn der Betroffene dies ausdrücklich geäußert oder zumindest – etwa durch Gesten – nach außen manifestiert habe. Daran knüpfe die ebenfalls offene Frage an, inwieweit eine heimliche Gabe von Medikamenten als ärztliche Zw...