Dr. Gudrun Doering-Striening
Rz. 88
Für das betreuungsgerichtliche Verfahren gelten die verfahrensrechtlichen Regeln der §§ 271 ff. FamFG – speziell §§ 271 Nr. 3, 274, 276, 287, 298 FamFG.
Rz. 89
Ablauf und Entscheidungskriterien:
Das Gericht hat den Willen des Patienten aufgrund seiner freien, aus dem gesamten Inhalt des Verfahrens gewonnenen Überzeugung (§ 37 FamFG) festzustellen. Daran ist der Arzt nicht mehr verfahrensrechtlich beteiligt.
Nach § 274 FamFG sind der Betroffene und der Betreuer/Bevollmächtigte, sofern sein Aufgabenkreis betroffen ist, beteiligt. Dem Betroffenen muss nach § 298 Abs. 3 FamFG stets ein Verfahrenspfleger bestellt werden, wenn es um die Nichteinwilligung oder den Widerruf einer gefährlichen Maßnahme i.S.v. § 1829 Abs. 2 BGB (§ 1904 Abs. 2 BGB a.F.) geht. In einem solchen Fall sollen auch die sonstigen Beteiligten i.S.v. § 274 FamFG gehört werden (§ 298 Abs. 2 FamFG). In jedem Fall ist vor der Genehmigung des Gerichtes nach § 298 Abs. 4 FamFG ein Sachverständigengutachten einzuholen. Der Sachverständige soll nicht der behandelnde Arzt sein.
Rz. 90
Die Entscheidung des Betreuungsgerichts erfolgt nach § 38 FamFG durch Beschluss. Ein Beschluss, der die Genehmigung über die Nichteinwilligung oder den Widerruf einer gefährlichen Maßnahme i.S.v. § 1829 Abs. 2 BGB (§ 1904 Abs. 2 BGB a.F.) zum Gegenstand macht, wird grundsätzlich erst zwei Wochen nach Bekanntgabe an den Betreuer/Bevollmächtigten sowie an den Verfahrenspfleger wirksam. Der Beschluss ist durch Beschwerde angreifbar. Nach § 303 Abs. 4 FamFG kann ein Betreuer/Vorsorgebevollmächtigter gegen eine Entscheidung, die seinen Aufgabenkreis betrifft, auch im Namen des Betroffenen Beschwerde einlegen.
Der Beschwerde folgen Abhilfebeschluss oder Nichtabhilfe, Beschwerdeentscheidung und ggf. Rechtsbeschwerde nach § 70 FamFG.
Rz. 91
Inhaltlich ist die Genehmigung vom Betreuungsgericht zu erteilen, wenn sie dem Willen des Betreuten/Vollmachtgebers entspricht. Was dem Willen des Betreuten/Vollmachtgebers entspricht, liegt in letzter Konsequenz in der Definitionsmacht des Gerichtes, das dazu auf das allgemeine materiell-rechtliche Instrumentarium der Wirksamkeit von Willenserklärungen und deren Auslegung zurückgreifen muss.
Rz. 92
Entscheidend i.S.v. § 133 BGB ist der wirkliche Wille des Patienten. Erst am Ende der Kette steht ggf. sein mutmaßlicher Wille. Lässt sich der mutmaßliche Wille des Betreuten nicht feststellen, gilt für den Betreuer ab 1.1.2023 § 1821 Abs. 4 BGB. Der Betreuer hat den mutmaßlichen Willen aufgrund konkreter Anhaltspunkte zu ermitteln und Geltung zu verschaffen. Zu berücksichtigen sind insbesondere frühere Äußerungen und sonstige persönliche Wertvorstellungen des Betreuten. Bei der Feststellung des mutmaßlichen Willens soll nahen Angehörigen und sonstigen Vertrauenspersonen des Betreuten Gelegenheit zur Äußerung gegeben werden. Verboten sind Überlegungen im Sinne des Wohls der Familie, des Arztes, des Entscheiders, der Solidargemeinschaft oder der Allgemeinheit schlechthin.
Rz. 93
Der Weg zur Genehmigung der Nichteinwilligung oder des Widerrufs der gefährlichen Maßnahmen i.S.v. § 1829 Abs. 2 BGB (§ 1904 Abs. 2 BGB a.F.) ist lang, obgleich damit nach dem Willen des Gesetzgebers sichergestellt sein sollte, dass eine gerichtliche Genehmigung nur in Konfliktfällen erforderlich ist:
Rz. 94
Muster 18.5: Antrag auf Genehmigung der Versagung der Einwilligung in eine ärztliche Maßnahme
Muster 18.5: Antrag auf Genehmigung der Versagung der Einwilligung in eine ärztliche Maßnahme
AG _________________________
Betreuungsgericht
Antrag auf Genehmigung der Versagung der Einwilligung in eine ärztliche Maßnahme
für _________________________
Mit der anliegenden Vollmacht bestelle ich mich für _________________________, für den ich beantrage:
die Genehmigung zur Versagung der Einwilligung in die angebotene ärztliche Maßnahme des Dr. med. _________________________,
hilfsweise ein Negativattest
zu erteilen.
Begründung
Herr _________________________ hat mir am _________________________ Vorsorgevollmacht für seine gesundheitlichen Angelegenheiten erteilt. Die Vollmachtsurkunde ist als Anlage 1 beigefügt.
Die Vollmacht ist im Zentralen Vorsorgeregister unter dem Az.: _________________________ eingetragen.
Die Vollmacht erstreckt sich unter anderem auf die Versagung der Einwilligung in die folgende beabsichtigte medizinische Maßnahme:
_________________________
Der Vollmachtgeber leidet an einer fortgeschrittenen Demenzerkrankung und ist nunmehr an _________________________ erkrankt. Die aktuellen medizinischen Befunde sind als Anlage 2 beigefügt. Er ist nicht mehr in der Lage, den Sinn und Zweck der angebotenen Behandlung zu erfassen und darüber zu entscheiden. Es gibt auch bei intensivem Bemühen keine Möglichkeit, eine rechtsverbindliche Einwilligung zu erreichen.
Der behandelnde Arzt Dr. med. _________________________ hat mich am _________________________ über den Krankheitsverlauf, die Behandlungsmöglichkeiten und Risiken aufgeklärt. Die vorgeschlagene Behandlung soll medizinisch ind...