Rz. 76

"Der Betreuer hat dem Willen des (einwilligungsunfähigen) Betreuten zum Durchbruch zu verhelfen. Zunächst besteht seine Aufgabe darin, die Einwilligungsunfähigkeit im Zusammenwirken mit dem Arzt und sodann den konkreten, nämlich behandlungsbezogenen Willen zu ermitteln."[118]

Lässt sich ein Patientenwille sicher ermitteln, ist dieser maßgeblich. Handlungsspielraum für Arzt und Betreuer/Bevollmächtigten gibt es dann nicht. Letzterer hat dabei zu prüfen, ob die mit diesem Willen verbundenen Festlegungen auf die aktuelle Lebens- und Behandlungssituation zutreffen. Behandlungssituation bedeutet, dass das in der Patientenverfügung beschriebene Erkrankungsbild oder -stadium eingetreten sein muss und eine Entscheidung über die konkret in Betracht kommenden Behandlungsmaßnahmen zu treffen ist. Der Begriff der Lebenssituation umfasst alle Lebensumstände des Patienten.[119] Abgleich mit der Lebenssituation bedeutet, dass die Patientenverfügung noch dem derzeitigen Willen des Vertretenen entsprechen muss.[120] Gibt es also konkrete Anhaltspunkte dafür, dass der Patient seinen schriftlich geäußerten Willen nicht mehr gelten lässt oder hat er die jetzt konkret vorliegende Lebenssituation nicht mitbedacht?[121]

 

Rz. 77

Das Ergebnis dieser Prüfung muss der Bevollmächtigte in Übereinklang bringen mit der Diagnose, der Prognose und den erreichbaren Zielen der angebotenen Behandlung für den Patienten. Letztlich prüft der Bevollmächtigte mit "anderer Brille" das, was der behandelnde Arzt zuvor auch schon geprüft hat. Hier treffen sich beide.

[118] Dodegge/Roth, SK Betreuungsrecht, 214.
[119] Baltz, Lebenserhaltung als Haftungsgrund, 2010, 67.
[120] Baltz, Lebenserhaltung als Haftungsgrund, 2010, 66 f.
[121] BT-Drucks 16/8442, 14 f.

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