Prof. Dr. Wolfgang Burandt, Dr. Cathrin Krämer
Rz. 49
Abgrenzung von Nießbrauch am gesamten Nachlass und Nießbrauch am Erbteil
Es ist zu unterscheiden zwischen dem Nießbrauch am gesamten Nachlass, auf den gem. § 1089 BGB die Vorschriften über den Nießbrauch an einem Vermögen Anwendung finden, und dem Nießbrauch an einem Erbteil. Letzterer ist ein Nießbrauch an einem Recht gem. §§ 1068 ff. BGB; er besteht nicht an den Nachlassgegenständen selbst. Die Bestellung erfolgt unmittelbar über § 2033 BGB. Sie haftet den Nachlassgegenständen demgemäß nur mittelbar an. Gehört zum Nachlass, wie im Muster, ein Grundstück, so wird dieses durch die Bestellung des Nießbrauchs am Erbteil nicht selbst belastet; es tritt nur eine Einschränkung der Verfügungsbefugnis außerhalb des Grundbuchs ein. Im Übrigen entsteht auch dann kein Nießbrauch am gesamten Nachlass i.S.v. § 1089 BGB, wenn sämtliche Miterben einer einzigen Person den Nießbrauch an ihren Erbteilen bestellen.
Rz. 50
Form
Maßgebend für die Bestellung eines Nießbrauchs sind die §§ 1068 ff., 2033 BGB, nach denen ein notariell beurkundeter Vertrag erforderlich ist, an dem beide Teile mitwirken müssen, welcher aber auch getrennt beurkundet werden kann (§ 128 BGB). Nur die dingliche Verfügungsbefugnis unterliegt dem notariellen Formerfordernis, kann aber mit dem schuldrechtlichen Vertrag, der meistens auf die Versorgung des Nießbrauchers ausgerichtet ist, in einer Urkunde zusammengefasst werden. Die allgemeinen Vorschriften über den Nießbrauch nach den §§ 1066 ff. BGB gelten für den Nießbrauch am Erbteil entsprechend.
Rz. 51
Rechte des Nießbrauchers
Der Nießbrauch entsteht mit Vertragsschluss. Dabei kommt ein gesetzliches Schuldverhältnis zwischen Nießbraucher und Besteller zustande, welches eingeschränkt vertraglich modifiziert werden kann. Der Nießbraucher hat nun die Rechte, die sich auf Besitz, Verwaltung und Nutzung des Erbteils beziehen. Nur wenn die Vermögenswerte zur Nachlassmasse gehören, werden sie von dem Nießbrauch am Erbteil mitumfasst. Da im oben aufgeführten Muster Grundbesitz zum Nachlass gehört, kann der Nießbrauch im Wege der Grundbuchberichtigung in Abteilung II des Grundbuchs eingetragen werden. Auch die Eintragung einer Verfügungsbeschränkung zur Sicherung ist entsprechend den Argumenten, wie sie beim Pfandrecht am Erbteil gelten, möglich.
Der Nießbraucher erhält den Reinerlös, kann aber daneben die Rechte aus § 1066 BGB geltend machen. Er wirkt neben dem Besteller bei der Auseinandersetzung mit (§ 1066 Abs. 2 BGB) und hat die Möglichkeit, die Vermittlung der Nachlassauseinandersetzung nach §§ 363 ff. FamFG selbstständig zu beantragen. Eine Haftung des Nießbrauchers für die Nachlassverbindlichkeiten tritt nicht ein.
Rz. 52
Erbschaftsteuer
Die vom Erben zu entrichtende Erbschaftsteuer ist eine persönliche Schuld des Erben, aber trotz der Haftung des Nachlasses (§ 20 Abs. 3 ErbStG) keine Nachlassverbindlichkeit. Daher kann der Erbe nicht die Rückgabe der zur Befriedigung erforderlichen Gegenstände gem. § 1087 BGB fordern.