Prof. Dr. Wolfgang Burandt, Dr. Cathrin Krämer
Rz. 100
Ab dem Zeitpunkt des Anfalls der Erbschaft an den Vorerben steht dem Nacherben eine Anwartschaft auf den Erwerb der Erbschaft zu. Dieses Recht ist grundsätzlich vererblich, es sei denn, der Wille des Erblassers steht dem entgegen (§ 2108 Abs. 2 S. 1 BGB).
Rz. 101
In dem Muster wird die Nacherbfolge durch den Eintritt einer Bedingung (Verheiratung) oder den Ablauf einer Frist (Tod der Vorerbin) herbeigeführt. Für die Vererblichkeit ist im Zweifel nur die Befristung maßgebend, da die Nachfolge auch ohne Rücksicht auf die Bedingung eintreten muss.
Rz. 102
Der Nacherbe kann über seine Anwartschaft zwischen Erbfall und Nacherbfall in der Form des § 2033 Abs. 1 S. 2 BGB und von Todes wegen verfügen, unabhängig davon, ob er Allein- oder Miterbe ist. Anders, wenn der Erblasser etwas anderes bestimmt hat.
Rz. 103
Eine weitere Möglichkeit besteht für den Nacherben darin, die Verfügung von Todes wegen so zu gestalten, dass er die ihm anfallende Nacherbschaft einem Dritten als Vermächtnis zuwendet oder sie durch eine weitere Nacherbschaft oder die Anordnung einer Testamentsvollstreckung beschränkt.
Rz. 104
Wird die Anwartschaft gem. § 2033 Abs. 1 BGB an den Vorerben veräußert, wird dieser Vollerbe. Auch die Übertragung, Verpfändung oder Pfändung des Rechts ist eintragbar. Nicht selbstständig abtretbar ist der künftige Herausgabeanspruch des Nacherben.
Rz. 105
Für die Übertragung gelten die §§ 2033, 2371, 2385 BGB analog. Daraus folgen die Formbedürftigkeit des Übertragungsgeschäfts und das Vorkaufsrecht der Mitnacherben – auch bei einem Verkauf an den Vorerben – sowie ein Vorkaufsrecht des Vorerben bei Übertragung an Dritte. Der Nacherbe kann ohne Zustimmung eines Ersatznacherben verfügen.
Rz. 106
Der Erwerber einer Anwartschaft kann sich nicht darauf verlassen, dass er seinen Erwerb nicht wieder verliert. Dieser Fall kann dann eintreten, wenn der Ersatznacherbfall eintritt. Sinnvoll ist es daher, sich bei Ersatznacherbfolge auch das Anwartschaftsrecht des Ersatznacherben übertragen zu lassen.
Rz. 107
Der Erblasser kann die Übertragbarkeit des Anwartschaftsrechts nach h.M. ausschließen. Daneben gibt es die Möglichkeit des Ausschlusses der Vererblichkeit der Anwartschaft, etwa gem. § 2108 Abs. 2 S. 1 BGB, wenn zweifelsfrei Ersatznacherben auch für den Fall des Versterbens der zunächst in Betracht kommenden Nacherben vor dem Nacherbfall bestimmt sind. Als mögliche Konsequenzen könnte die Nacherbschaft mit dem Tode des Nacherben entfallen und der Vorerbe Vollerbe werden oder der Erblasser hat diese Möglichkeit ausgeschlossen und es rücken stattdessen ein oder mehrere Ersatznacherben kraft Gesetzes oder letztwilliger Verfügung auf.
Rz. 108
Durch die Übertragung der Anwartschaft tritt der Erwerber unmittelbar in die Rechtsstellung des Erben ein. Der Nachlass fällt dem Erwerber mit Eintritt des Nacherbfalls ohne Durchgangserwerb des Nacherben an.
Rz. 109
Das Anwartschaftsrecht hat nur erbrechtliche, nicht zugleich sachenrechtliche Wirkungen bezüglich der einzelnen Nachlassgegenstände. Es steht unter dem Vorbehalt der Ausschlagung, die der Nacherbe bis zur Annahme der Erbschaft bereits mit dem Erbfall erklären kann (§ 2142 Abs. 1 BGB).
Rz. 110
Der Erwerber wird mit Eintritt des Nacherbfalls Gesamtrechtsnachfolger des Erblassers und kann vom Vorerben die Herausgabe des Nachlasses gem. § 2130 BGB fordern. Auch haftet ihm dieser nach §§ 2130, 2131 BGB insbesondere für Pflichtverletzungen, die zeitlich vor der Übertragung der Anwartschaft liegen. Der Erwerber haftet den Nachlassgläubigern. Soweit der Vorerbe für Verfügungen auf die Zustimmung der Nacherben angewiesen ist, muss diese vom Erwerber erteilt werden.