a) Die neue Einkommensgrenze
Rz. 8
Aufgrund des Angehörigen-Entlastungsgesetzes erfolgt aber ein Anspruchsübergang nur noch bezüglich der Ansprüche, die sich gegen Kinder richten, deren Jahresbruttoeinkommen mehr als 100.000 EUR beträgt. Wie bereits ausgeführt, wurden die BGB-Vorschriften nicht geändert. Nach diesen Vorschriften kann eine Unterhaltspflicht auch bei niedrigerem Einkommen oder gar nur bei Taschengeld des Unterhaltspflichtigen bestehen – sei es alleine oder bei mehreren Unterhaltspflichtigen Kindern anteilig (insoweit wird auf die Berechnungsbeispiele in der 6. Auflage verwiesen). Ein Anspruchsübergang erfolgt jedoch nur bezüglich der Ansprüche, bei denen der Unterhaltspflichtige ein Jahresbruttoeinkommen über 100.000 EUR hat. Dadurch wird die praktische Bedeutung des Elternunterhalt stark eingeschränkt.
§ 94 SGB XII Übergang von Ansprüchen gegen einen nach bürgerlichem Recht Unterhaltspflichtigen
(1) Hat die leistungsberechtigte Person für die Zeit, für die Leistungen erbracht werden, nach bürgerlichem Recht einen Unterhaltsanspruch, geht dieser bis zur Höhe der geleisteten Aufwendungen zusammen mit dem unterhaltsrechtlichen Auskunftsanspruch auf den Träger der Sozialhilfe über. Der Übergang des Anspruchs ist ausgeschlossen, soweit der Unterhaltsanspruch durch laufende Zahlung erfüllt wird. Der Übergang des Anspruchs ist auch ausgeschlossen, wenn die unterhaltspflichtige Person zum Personenkreis des § 19 gehört oder die unterhaltspflichtige Person mit der leistungsberechtigten Person vom zweiten Grad an verwandt ist. Gleiches gilt für Unterhaltsansprüche gegen Verwandte ersten Grades einer Person, die schwanger ist oder ihr leibliches Kind bis zur Vollendung seines sechsten Lebensjahres betreut. § 93 Abs. 4 gilt entsprechend.
(1a) Unterhaltsansprüche der Leistungsberechtigten gegenüber ihren Kindern und Eltern sind nicht zu berücksichtigen, es sei denn, deren jährliches Gesamteinkommen im Sinne des § 16 des Vierten Buches beträgt jeweils mehr als 100 000 EUR (Jahreseinkommensgrenze). Der Übergang von Ansprüchen der Leistungsberechtigten ist ausgeschlossen, sofern Unterhaltsansprüche nach Satz 1 nicht zu berücksichtigen sind. Es wird vermutet, dass das Einkommen der unterhaltsverpflichteten Personen nach Satz 1 die Jahreseinkommensgrenze nicht überschreitet. Zur Widerlegung der Vermutung nach Satz 3 kann der jeweils für die Ausführung des Gesetzes zuständige Träger von den Leistungsberechtigten Angaben verlangen, die Rückschlüsse auf die Einkommensverhältnisse der Unterhaltspflichtigen nach Satz 1 zulassen. Liegen im Einzelfall hinreichende Anhaltspunkte für ein Überschreiten der Jahreseinkommensgrenze vor, so ist § 117 anzuwenden. Die Sätze 1 bis 5 gelten nicht bei Leistungen nach dem Dritten Kapitel an minderjährige Kinder.
(2) …
Durch das Angehörigen-Entlastungsgesetz erfolgt seit 1.1.2020 ein Anspruchsübergang also nur noch bei besonders guten wirtschaftlichen Verhältnissen des unterhaltsberechtigten Kindes (Jahresbruttoeinkommen über 100.000 EUR).
Entsprechend (Jahresbruttoeinkommen über 100.000 EUR) wurde das Fallbeispiel gestaltet, um den Elternunterhalt darzustellen.
b) Die Problematik der Einkommensgrenze
aa) Divergierende Nettoeinkommen
Rz. 9
Wenn bis zu einem Jahresbruttoeinkommen von 100.000 EUR kein Anspruchsübergang erfolgt, so ist zu sehen, dass sich aus diesem Betrag je nach Familienstand und Einkommensart unterschiedliche Nettoeinkommen (Einkommen nach Abzug von Steuern und Vorsorgeaufwendungen) ergeben. Hierauf wurde aber bereits in der Stellungnahme des Deutschen Anwaltvereins durch die Ausschüsse Familienrecht und Sozialrecht zum Referentenentwurf hingewiesen mit dem Bemerken, dass etwa bis zu folgenden Nettoeinkommen ein Anspruchsübergang ausgeschlossen ist: alleinstehender sozialversicherungspflichtiger Beschäftigter 4.500 EUR, Beamter 4.900 EUR und Selbstständiger 3.720 EUR.
Im Fallbeispiel werden Brutto- und Nettoeinkommen schlicht vorgegeben, um den Elternunterhalt darzustellen.
bb) Die starre Grenze als Akzeptanzproblematik
Rz. 10
Auf Unverständnis kann der starr an ein Jahresbruttoeinkommen von 100.000 EUR geknüpfte Anspruchsübergang in Fällen stoßen, in denen ein Kind knapp unter 100.000 EUR verdient, während das andere Kind knapp darüber verdient und damit haftet. Von großer praktischer Relevanz werden solche Konfliktfälle unter Geschwistern nicht sein, weil ohnehin weniger als 6 % der Bevölkerung ein Jahresbruttoeinkommen über 100.000 EUR haben. Soweit das Jahresbruttoeinkommen von 100.000 EUR zum Anlass genommen wird, bereits für den Unterhaltsanspruch selbst eine Anhebung des Selbstbehalts auf ca. 5.000 EUR vorzuschlagen, ist zu bedenken, dass dieser Selbstbehalt dann zwar für jedes der unterhaltspflichtigen Kinder gilt, aber dann z.B. bei Leist...