Rz. 36
Der verwitwete Elternteil G des M lebt im Pflegeheim.
Nach Einsatz seines eigenen Einkommens und nach Berücksichtigung der Leistungen aus der Pflegekasse hat der vermögenslose G einen ungedeckten Restbedarf von monatlich 2.000 EUR.
M lebt in nichtehelicher Lebensgemeinschaft mit neKM. Sie haben ein gemeinsames Kind, den 9-jährigen K. K geht noch zur Schule.
M hat ein bereinigtes Nettoeinkommen von monatlich 3.700 EUR (Jahresbruttoeinkommen 120.000 EUR, monatliches Nettoeinkommen ca. 5.400 EUR, Nettoeinkommen nach unterhaltsrechtlicher Bereinigung 3.700 EUR).
neKM ist seit der Geburt des Kindes nicht mehr erwerbstätig. Ohne das Kind würde F 1.200 EUR verdienen.
G bzw. der Sozialhilfeträger, der zunächst für den Bedarf aufgekommen ist und auf den der Unterhaltsanspruch übergegangen ist, verlangt von M Unterhalt.
I. Anspruchsinhaberschaft (Aktivlegitimation)
Rz. 37
Zu den Voraussetzungen des Anspruchsübergangs nach dem Angehörigen-Entlastungsgesetz vgl. zunächst Fall 54 (siehe oben Rdn 1).
II. Anspruchsgrundlage für Elternunterhalt
Rz. 38
Zum Elternunterhalt vgl. zunächst Fall 54 (siehe oben Rdn 1).
§ 1601 Unterhaltsverpflichtete
Verwandte in gerader Linie sind verpflichtet, einander Unterhalt zu gewähren.
Ein vorrangig haftender Ehegatte des G ist nicht vorhanden.
§ 1608 Haftung des Ehegatten oder Lebenspartners
(1) Der Ehegatte des Bedürftigen haftet vor dessen Verwandten. Soweit jedoch der Ehegatte bei Berücksichtigung seiner sonstigen Verpflichtungen außerstande ist, ohne Gefährdung seines angemessenen Unterhalts den Unterhalt zu gewähren, haften die Verwandten vor dem Ehegatten. § 1607 Abs. 2 und 4 gilt entsprechend. Der Lebenspartner des Bedürftigen haftet in gleicher Weise wie ein Ehegatte.
III. Bedarf und Bedürftigkeit
Rz. 39
Vgl. hierzu Fall 54 (siehe oben Rdn 1).
Der Bedarf ergibt sich aus den notwendigen Heimkosten und einem Barbetrag. G hat im Fallbeispiel letztlich einen ungedeckten Restbedarf von 2.000 EUR.
IV. Vorwegabzug anderer Unterhaltslasten
Rz. 40
Die Frage nach dem Umfang der Leistungsfähigkeit ist die Frage nach dem für den Elternunterhalt einzusetzenden Einkommen.
M hat ein bereinigtes Nettoeinkommen von 3.700 EUR.
1. Vorwegabzug von Kindesunterhalt
a) Bemessung des Kindesunterhalts nur nach dem Einkommen des M
Rz. 41
Der Kindesunterhalt des K kann hier allein nach dem Einkommen von M bestimmt werden.
neKM erfüllt ihre Unterhaltspflicht durch die Betreuung des noch minderjährigen Kindes.
Der Kindesunterhalt, der hier zu Berechnungszwecken als Geldbetrag auszuweisen ist, bestimmt sich nach der Düsseldorfer Tabelle.
M hat ein bereinigtes Nettoeinkommen von 3.700 EUR. Es kommt deshalb grundsätzlich die Einkommensgruppe 6 (3.501 EUR bis 3.900 EUR) zur Anwendung. Es sind drei Unterhaltsberechtigte vorhanden (F, neKM und G). Die DT geht von zwei Unterhaltsberechtigten aus. Deshalb ist die Herabstufung um eine Einkommensgruppe in Gruppe 5 (3.101 – 3.500 EUR) geboten.
K ist 9 Jahre alt (zweite Altersstufe). Der Bedarf nach der DT beträgt somit 546 EUR. Abzüglich des hälftigen Kindergelds ergibt sich ein (fiktiver) Zahlbetrag von 436,50 EUR (546 EUR – 109,50 EUR).
M verbleiben rechnerisch 3.263,50 EUR (3.700 EUR – 436,50 EUR).
b) Bemessung des Kindesunterhalts nach dem zusammengerechneten Einkommen von M und F
Rz. 42
Zwar leben M und neKM zusammen, doch hat neKM kein Einkommen. Eine Ermittlung des Kindesunterhalts nach dem gemeinsamen Einkommen erübrigt sich.
Hinweis
Diese Rechenweise nach dem zusammengerechneten Einkommen hat für die Bestimmung der Kindesunterhaltsverpflichtung des M in den Fällen ohnehin keine wesentliche Bedeutung, in denen M und neKM nicht zusammenleben und M alleine barunterhaltspflichtig ist. Der Barunterhalt würde sich – in den allermeisten Fällen – nur nach dem Einkommen des M bestimmen.
Es bleibt also bei dem oben bereits aufgezeigten Ergebnis: M verbleiben nach Abzug des Kindesunterhalts rechnerisch 3.263,50 EUR (3.700 EUR – 436,50 EUR).
Zudem ist M auch seiner Partnerin neKM unterhaltspflichtig.
2. Vorwegabzug des Unterhalts nach § 1615l
Rz. 43
Als Ehefrau würde neKM mittels des Familienselbstbehalts berücksichtigt (siehe hierzu Fall 55 oben Rdn 32).
Der Anspruch nach § 161l rechtfertigt aber nicht den Ansatz des Familienselbstbehalts wie bei Ehegatten.
Der Anspruch nach § 1615l BGB kann vielmehr als sonstige Verpflichtung i.S.v. § 1603 BGB vom Einkommen des M vorab abgezogen werden.
BGH, Beschl. v. 9.3.2016 – XII ZB 693/14 Rn 20
Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde ist auch nicht zu beanstanden, dass das Oberlandesgericht dem Antragsgegner keinen Familienselbstbehalt zugebilligt hat.
Ein möglicher Anspruch auf Betreuungsunterhalt nach § 1615l BGB führt nicht dazu, dass sich der Antragsgegner auf einen Familienselbstbehalt berufen könnte. Vielmehr wäre der entsprechende, gemäß § 1609 Nr. 2 BGB vorrangige, Unterhaltsbetrag als sonstige Verpflichtung i.S.d. § 1603 Abs. 1 BGB von dessen Einkommen abzuziehen
Also Begründung für den Vorwegabzug – statt Familienselbstbehalt – wird vom BGH angeführt:
BGH, Beschl. v. 9.3.2016 – XII ZB 693/14 Rn 22 u. 23
Die Zubilligung des Familienselbstbehalts basiert auf der Prämisse, dass der Unterhaltspflichtige verheiratet ist und sich die Ehegatten Unterhalt schulden. Zwar ist der Ehegattenunterhalt gemäß § 1609 Nr. 2 und 3 BGB gegenüber dem Elt...