Rz. 16
Hierzu ist vom (bereinigten) Nettoeinkommen von M1 und M2 jeweils der Selbstbehalt abzuziehen.
Besonderheiten bei der Einkommensermittlung
Beim Elternunterhalt gelten Besonderheiten bei der Einkommensermittlung (insb. bei Wohnwert, Vermögenseinsatz, Ansparmöglichkeiten) vgl. die eingangs aufgelisteten Aufsätze und die Hinweise am Ende des Falles.
Der Selbstbehalt beim Elternunterhalt ist nicht statisch, sondern dynamisch. Er ist in jedem Einzelfall zu ermitteln (Mindestselbstbehalt plus die Hälfte des darüber hinausgehenden Einkommens).
BGH, Beschl. v. 9.3.2016 – XII ZB 693/14 Rn 14 ff.
Die Verpflichtung zur Zahlung von Verwandtenunterhalt findet nach § 1603 Abs. 1 BGB dort ihre Grenze, wo der Unterhaltspflichtige bei Berücksichtigung seiner sonstigen Verpflichtungen – insbesondere weiterer Unterhaltspflichten – außerstande ist, ohne Gefährdung seines angemessenen Unterhalts den Unterhalt des Berechtigten zu gewähren. § 1603 Abs. 1 BGB gesteht damit jedem Unterhaltspflichtigen vorrangig die Sicherung seines eigenen angemessenen Unterhalts zu; ihm sollen grundsätzlich die Mittel verbleiben, die er zur angemessenen Deckung des seiner Lebensstellung entsprechenden allgemeinen Bedarfs benötigt. Maßgebend ist beim Elternunterhalt die Lebensstellung, die dem Einkommen, Vermögen und sozialen Rang des Verpflichteten entspricht, mithin der gesamte individuelle Lebensbedarf einschließlich einer angemessenen Altersversorgung (Senatsurteil BGHZ 169, 59 = FamRZ 2006, 1511, 1512 m.w.N.).
Daraus folgt aber auch, dass der angemessene Eigenbedarf beim Elternunterhalt nicht losgelöst von dem vorhandenen Einkommen bestimmt werden kann. Er richtet sich also nicht an einer festen Größe aus, sondern ist entsprechend den Umständen des Einzelfalls zu bemessen.
… besteht Einigkeit darüber, den Kindern gegenüber ihren Eltern von dem den Freibetrag übersteigenden Einkommen einen weiteren Anteil zusätzlich zu belassen. Der Senat hat es grundsätzlich gebilligt, wenn bei der Ermittlung des für den Elternunterhalt einzusetzenden bereinigten Einkommens allein auf einen hälftigen Anteil des Betrags abgestellt wird, der den an sich vorgesehenen Mindestselbstbehalt übersteigt (Senatsurteil BGHZ 169, 59 = FamRZ 2006, 1511, 1513 m.w.N.).
Im Fallbeispiel sind die bereinigten Nettoeinkommen von M1 und M2 bereits vorgegeben.
Sie sind um den Selbstbehalt (siehe zur Problematik des Selbstbehalts oben Rdn 1) zu kürzen.
SüdL (2020)
Selbstbehalt
21.3.3 Gegenüber Eltern beträgt er mindestens 2.000 EUR. Hierin sind Kosten für Unterkunft und Heizung in Höhe von 700 EUR enthalten. Zusätzlich bleibt die Hälfte des diesen Mindestbetrag übersteigenden, bereinigten Einkommens anrechnungsfrei, bei Vorteilen aus dem Zusammenleben in der Regel 45 % des diesen Mindestbetrag übersteigenden, bereinigten Einkommens.
Vgl. auch Nr. 21.3.3 der im Einzelfall anzuwendenden Leitlinien.
Anders ausgedrückt: 2.000 EUR und weitere 50 % bzw. 45 % des die 2.000 EUR übersteigenden Einkommens müssen nicht für Elternunterhalt eingesetzt werden.
Wenn man aufgrund des Angehörigen-Entlastungsgesetzes eine Erhöhung des Selbstbehalts erwägt, ist zu bedenken, dass damit die Unterhaltspflicht verringert wird oder gar ganz entfallen kann und damit z.B. den Haftungsanteil eines anderen Kindes erhöhen kann. Hat dieses Kind ein Jahresbruttoeinkommen über 100.000 EUR, haftet es nach Anspruchsübergang letztlich in größerem Umfang.
1. Leistungsfähigkeit des M1
Rz. 17
Berechnungsmethode nach BGH, Urt. v. 28.7.2010, FamRZ 2010, 1535
Einkommen M1 – Selbstbehalt
= 5.000 EUR – [2.000 EUR + ½ aus (5.000 EUR – 2.000 EUR)]
= 5.000 EUR – (2.000 EUR + 1.500 EUR) = 1.500 EUR
In diesem Umfang ist M1 leistungsfähig in Bezug auf Elternunterhalt.
Anders ausgedrückt: Leistungsfähigkeit besteht in Höhe von ½ (= 50 %) aus (5.000 – 2.000 EUR), also in Höhe von 1.500 EUR.
2. Leistungsfähigkeit des M2
Rz. 18
Einkommen M2 – Selbstbehalt
= 3.000 EUR – (2.000 EUR + ½ × (3.000 EUR – 2.000 EUR))
= 3.000 EUR – (2.000 EUR + 500 EUR) = 500 EUR
In diesem Umfang ist M2 leistungsfähig in Bezug auf Elternunterhalt.
Anders ausgedrückt: Leistungsfähigkeit besteht in Höhe von ½ (= 50 %) aus (3.000 – 2.000 EUR), also in Höhe von 500 EUR.
Da die für den Elternunterhalt zur Verfügung stehende Beträge von M1 und M2 (1.500 + 500 = 2.000 EUR) nicht ausreichen, den ungedeckten Restbedarf von G (2.200 EUR) zu decken, erübrigt sich die Berechnung einer Quote (vgl. hierzu den Hinweis am Ende). Beide Beträge sind voll für den Elternunterhalt aufzuwenden.
Hinweis
Der Hälfteanteil bzw. 50 %-Anteil erhöht sich bei Vorteilen des M aus Zusammenleben auf 55 %, da in einem solchen Fall nur 45 % des den Betrag von 2.000 EUR übersteigenden Betrages anrechnungsfrei bleiben (vgl. hierzu Fall 55, siehe Rdn 22).