I. Form
Rz. 12
Für den Erbverzicht schreibt § 2348 BGB die notarielle Beurkundung vor. Beide Erklärungen – Angebot des Verzichtenden und Annahme des Erblassers oder aber auch andersherum – müssen in dieser Form abgegeben werden.
Rz. 13
Angebot und Annahme müssen aber nicht gleichzeitig (also nicht bei Anwesenheit beider Teile) angegeben werden, §§ 128, 152 BGB. Die beurkundete Annahmeerklärung ist dann nicht empfangsbedürftig. Die Trennung von Angebot und Annahme sollte aber vermieden werden. Zumindest kann, wenn der Erblasser vor der Annahme gestorben ist, das Angebot von seinen Erben nach h.M. nicht mehr angenommen werden. Auf der anderen Seite verkomplizieren der Tod des Verzichtenden und sein Verlust der Geschäftsfähigkeit die Abwicklung.
Rz. 14
Umstritten ist, ob auch das schuldrechtliche Kausalgeschäft notariell beurkundet werden muss. Das Problem stellt sich, seitdem von der ganz h.M. der Erbverzicht als abstrakt vom schuldrechtlichen Geschäft gesehen wird und diese (inzwischen) die Formbedürftigkeit des Kausalgeschäfts bejaht. Sie kann sich dabei zwar nicht auf eine Entscheidung des BGH stützen, der diese Frage bislang offengelassen hat, aber sie stützt sich auf eine Entscheidung des KG aus dem Jahr 1974. Auch das OLG Köln argumentierte in dieser Richtung. § 2348 BGB wird analog angewandt.
Rz. 15
Ein Folgeproblem ist das der Heilung bei einem Formmangel. Während dies bei dem abstrakten Erbverzicht wegen § 125 BGB nicht möglich ist, werden für die Fälle von Mängeln beim Kausalgeschäft Lösungen diskutiert. Dabei spricht für die Gegenmeinung immerhin ein wichtiges Argument: Im BGB herrscht das Prinzip, wonach Formfreiheit besteht, wenn keine Form vorgeschrieben wurde. Mit Damrau hält dem die h.M. entgegen, dass dieses Prinzip durchaus mehrfach durchbrochen wird. Hinzu tritt die Warnfunktion bei dieser wichtigen Vereinbarung.
II. Stillschweigender Verzicht
Rz. 16
Es ist umstritten, ob ein Erbverzicht nur ausdrücklich oder auch stillschweigend erklärt werden kann. Eine stillschweigende Erklärung kommt im Rahmen eines notariellen gemeinschaftlichen Testaments oder bei einem Erbvertrag in Betracht, etwa bei einer Patchworkkonstellation, in welcher jeder Ehegatte im (stillschweigenden) Einverständnis des anderen seine eigenen Kinder bedenkt.
Nach der Rechtsprechung des BGH ist ein stillschweigender Erbverzicht möglich. Zumindest das OLG Düsseldorf hat sich dem BGH angeschlossen. Teile der (Kommentar-)Literatur befürworten ebenfalls den stillschweigenden Erbverzicht. Reul sah beim BGH zwar Anzeichen für ein Abrücken von dieser Meinung, weil die Bedeutung der Auslegung stärker betont werde. Allerdings wurden in dem zum Beleg herangezogenen Zitat die einleitenden Worte des BGH ("Es mag in Einzelfällen auch möglich sein …") nicht erwähnt.
Der überwiegende Teil der Literatur sieht einen stillschweigenden Erbverzicht als nicht möglich an. Eine stillschweigende Erklärung sei nur bei Formfreiheit möglich. In gemeinschaftliche Testamente werde – womöglich um die Nachlassgestaltung zu "retten" – mehr "hineingelesen" als den Erklärenden bewusst gewesen sei bzw. als Nichtjuristen bewusst gewesen sein konnte. Schließlich würde der Schutzzweck der Formvorschrift des § 2348 BGB umgangen.
Insbesondere das letzte Argument wiegt schwer. Es muss aber nicht zu einer vollständigen Ablehnung des stillschweigenden Erbverzichts führen. Mit Keim sollten an die Auslegung zugunsten eines stillschweigenden Erbverzichts aber hohe Anforderungen gestellt werden. Die entsprechende Erklärung des Verzichtenden kann nur unterstellt werden, wenn dieser wusste, dass er damit nicht nur auf eine mögliche erbrechtliche Zuwendung verzichtet, sondern auch auf eine gesetzlich besonders gesicherte Teilhabe.
Rz. 17
Praxishinweis
Der Hinweis des Notars
"Der Erschienene wurde darüber aufgeklärt, dass er mit diesem Testament auf seinen Pflichtteil oder Teile davon verzichten könnte."
würde danach nicht reichen. Denkbar wäre ein Hinweis wie:
"Der Erschienene wurde darüber aufgeklärt, dass er mit diesem Testament au...