I. Allgemeines
Rz. 57
Die Beseitigung des Erbverzichts ist auf verschiedene Arten möglich. Ihnen gemein ist, dass nach dem Erbfall eine Beseitigung zumindest des abstrakten Verfügungsgeschäfts bei einem Erbverzicht nicht oder nur in Ausnahmen möglich ist. Dies gebietet die Rechtssicherheit, denn der Erbverzicht wirkt direkt auf die Erbfolge oder -quoten.
II. Aufhebung
Rz. 58
Sowohl der Erbverzicht als auch der Pflichtteilsverzicht können zu Lebzeiten der Vertragsparteien ohne weiteres einvernehmlich, vertraglich mit notarieller Beurkundung aufgehoben werden, §§ 2351, 2348 BGB. Die Aufhebung des Erbverzichts ist ebenfalls ein abstraktes erbrechtliches Verfügungsgeschäft. Sie kann auch in dem Vertrag vorbehalten werden.
Rz. 59
Nach fast allgemeiner Ansicht ist die Aufhebung eines Erbverzichts nur bis zum Tod des Erblassers möglich. Die Frage, ob dies auch für den Pflichtteilsverzicht gilt, wird bejaht, obgleich die Gründe insoweit weniger zwingend sind. Zwar kann ein Pflichtteilsverzicht von dem Erben und den Pflichtteilsberechtigten einvernehmlich ignoriert und dadurch faktisch wirkungslos werden, sodass eine Aufhebung nicht notwendig erscheint. Ein solches Vorgehen ist allerdings unverbindlich und wäre u.U. angreifbar (§ 812 BGB). Durch den Pflichtteilsverzicht wird aber die Erbfolge nicht verändert, sodass dies nicht gegen die Möglichkeit der Aufhebung spricht. Da der Erbe der Schuldner des Pflichtteils ist, sollte ihm die einvernehmliche Aufhebung des Verzichtsvertrages zusammen mit dem Pflichtteilsberechtigten möglich sein. Schließlich kann der Erbe auch einen anderen schuldrechtlichen Vertrag des Erblassers mit einem Dritten aufheben oder ändern.
Praxishinweis
Interessant kann diese o.g. Möglichkeit werden, wenn der Erbe verschuldet ist und der Nachlass für die Eigengläubiger des Erben durch Verbindlichkeiten geschmälert werden soll. Allerdings sind dabei Anfechtungsrechte zu beachten.
Rz. 60
Schindler behandelt schließlich die Frage, ob die Bindungswirkung eines gemeinschaftlichen Testaments die spätere Aufhebung des Verzichts unwirksam werden lassen kann, wenn das Testament auch mit Rücksicht darauf errichtet wurde. Er bejaht mit guten Argumenten die Unwirksamkeit, indem er die Aufhebung als letztwillige Verfügung qualifiziert und auf das Schutzbedürfnis für den Erstverstorbenen hinweist. J. Mayer widerspricht und bevorzugt eine Lösung über § 2287 BGB. Mit der Interessenlage und den Gestaltungsmöglichkeiten bei Patchworkkonstellationen setzt sich Klosky auseinander.
III. Anfechtung
Rz. 61
Auch bei der Anfechtung ist zwischen der Zeit vor und nach dem Erbfall zu unterscheiden.
1. Anfechtung vor dem Erbfall
Rz. 62
Für die Anfechtung gelten die allgemeinen Vorschriften der §§ 119 ff. BGB. Anders als bei einer letztwilligen Verfügung ist ein Motivirrtum unbeachtlich, denn § 2078 BGB gilt nicht. Die Anfechtung kann das abstrakte erbrechtliche Verfügungsgeschäft und/oder ein schuldrechtliches Rechtsgeschäft unwirksam werden lassen.
Rz. 63
Das Anfechtungsrecht des Verzichtenden zu Lebzeiten des Erblassers ist unbestritten. Uneinigkeit besteht über das Anfechtungsrecht des potentiellen Erblassers.
Es könnte die Meinung vertreten werden, es bestehe für eine Anfechtung des Erblassers kein Bedürfnis. Er könne durch eine letztwillige Verfügung den Ausschluss des Erben jederzeit rückgängig machen.
Zutreffender Weise sollte ein Anfechtungsrecht des Erblassers bejaht werden. Ob ein "Bedürfnis" für ein Recht besteht, ist nicht ausschlaggebend für dessen Existenz. Bei einem testierunfähigen Erben ist es zudem nicht möglich, eine neue letztwillige Verfügung zu verfassen. Zudem werden durch einen Erbverzicht auch die Erb- und Pflichtteilsquoten von anderen Personen beeinflusst. Die Anfechtung kann eine Wirkung entfalten, die der Erblasser sonst nicht herbeiführen kann.
2. Anfechtung nach dem Erbfall
Rz. 64
Ob der Verzichtende noch nach dem Erbfall anfechten darf, ist höchst umstritten.
Die überwiegende Meinung verneint das Anfechtungsrecht. Das Hauptargument ist die Rechtssicherheit. Durch den Erbverzicht werden die Erbfolge und/oder Erbquoten geändert. Allerdings kommen in diesen Fällen Schadensersatzansprüche in Betracht, etwa nach ...